1. Bestandteile und Gliederung der Basalganglien
Tabelle 13-1: Die Hauptbestandteile der Basalganglien und ihre Zugehörigkeit zu den einzelnen Hirnabschnitten.
Hauptbestandteile |
Gliederung |
Lage |
|||
Basalganglien | Striatum | Ncl. caudatus Putamen Ncl. accumbens |
(dorsales Striatum) (ventrales Striatum) |
Endhirn |
|
Globus pallidus | Globus pallidus, pars interna
Globus pallidus, pars externa Globus pallidus, pars ventralis (ventrales Pallidum) |
|
|||
Ncl. subthalamicus |
Zwischenhirn |
||||
Substantia nigra | Pars compacta Pars reticulata Area tegmenti ventralis |
Mittelhirn |
Legende
(Die Einbeziehung der Area tegmenti ventralis als ventraler Teil der Substantia nigra ist nicht allgemein akzeptiert).
2. Topographie und Makroskopie
Topografie der Basalganglien
(siehe www.thehumanbrain.info )
Das Striatum umfaßt Ncl. caudatus (Schwanzkern), Putamen (Schale) und Ncl. accumbens. Diese Teile entwickeln sich aus derselben Anlage und besitzen denselben Aufbau. Während der Fötalentwicklung werden Ncl. caudatus und Putamen (mit Ausnahme des vorderen, breiten "Kopf"-Teils) durch die Bildung der Capsula interna getrennt. Diese Entwicklung ist an den zahlreichen Verbindungsbrücken (auf dem Schnitt als Streifen zu erkennen, daher "Striatum", Streifenkörper) zwischen den Bündeln der Capsula interna gut nachzuvollziehen. Als Ncl. accumbens wird der ventrale, vorne gelegene Abschnitt des Striatums bezeichnet (siehe unten).
Legende
Frontalschnitt in Höhe der Substantia nigra.
1, Ncl. caudatus, (1a, Caput ncl. caudati, 1b, Cauda ncl. caudati),
2, Putamen,
3, äußeres Pallidumglied,
4, inneres Pallidumglied,
5, Ncl. subthalamicus,
6, Substantia nigra, pars reticulata,
7, Substantia nigra, pars compacta,
8, Area tegmenti ventralis,
9, Zellbrücken zwischen Ncl. caudatus und Putamen,
10, Zellbrücken zwischen innerem Pallidumglied und Substantia nigra.
11, Ncl. amygdaloideus,
12, Seitenventrikel,
13, Balken,
14, 3. Ventrikel,
15, seitlicher Thalamus,
16, Ncl. anterior thalami,
17, Ncl. medialis thalami,
18, Intralaminare Kerne (Ncl. parafascicularis/Centrum medianum),
19, Pedunculus cerebri,
20, Adhaesio interthalamica,
21, basale Vorderhirnregion (mit Ncl. basalis),
22, Capsula interna (a, Crus ant., b, Genu, c, Crus post.),
23, Thalamus,
24, Commissura anterior,
25, For. interventriculare.
Der Globus pallidus (GP, globus, lat. Klumpen) besitzt reichlich markhaltige Fasern, die ihm auf makroskopischen Schnitten die typische blasse ("pallidus") Farbe verleihen. Er liegt medial vom Putamen und ist von ihm durch die Lamina externa getrennt. Der Globus pallidus selbst wird durch eine dünne Faserlamelle in ein inneres, zentrales Glied (GP internus, GPi) und ein äußeres Glied (GP externus, GPe) getrennt.
Der Ncl. subthalamicus bildet eine scharf abgegrenzte Zellmasse, die wie eine bikonvexe Linse auf der Innenseite der Capsula interna liegt. Er gehört wie der Globus pallidus zum Subthalamus des Zwischenhirns.
Die Substantia nigra (SN) befindet sich zwischen Hirnschenkel und Mittelhirnhaube (Tegmentum) des Mittelhirns. Sie besteht aus zwei Abschnitten. Der eine Abschnitt (Pars compacta, SNC) ist der Haube zugewandt und wegen der Beladung der Neurone mit Melaninpigment dunkel gefärbt. Diese Neurone projezieren zum Striatum. Der andere Abschnitt (Pars reticulata, SNR) liegt ventral. Er entspricht in seinem histologischen und chemischen (Eisengehalt) Aufbau dem inneren Pallidumglied. Tatsächlich sind auch das innere Pallidumglied (GPi) und die SNR (wie das Striatum) während der Hirnentwicklung durch die einsprossenden Fasern des Hemisphärenstiels (innere Kapsel und Pedunculus cerebri) getrennt worden. Auch hier finden sich als Relikte dieser Entwicklung Substanzbrücken innerhalb des Pedunculus cerebri. Aus diesen Gründen werden das innere Pallidumglied und die SNR als einheitliche Struktur (GPi/SNR-Komplex) betrachtet. Ihre Neurone bilden das Ausgangssystem der Basalganglien.
Ventrale Abschnitte der BG: Die ventralen Abschnitte von Striatum und Globus pallidus ("ventrales Striatum" = Ncl. accumbens, und "ventrales Pallidum") liegen ventral der Ebene der vorderen Kommissur an der Grenze zur basalen Vorderhirnregion (Substantia innominata). Sie sind funktionell dem Limbischen System zugeordnet. Hierher gehört auch das medial von der Substantia nigra, pars compacta gelegene Areal der Area tegmenti ventralis (Teil der limbischen Mittelhirnregion, sog. Area A10, Abb. 13-1b).
Legende
links: Rekonstruktuin des Striatums
orange: Putamen,
rot: Ncl. caudatus,
hellgrün, gelb, hellorange:
Ncl. accumbens,
dunkelgrün: Vorderhorn des Seitenventrikels.
rechts: Histologischer Schnitt durch das Striatum, ca. 6 mm vor der Mitte der vorderen Kommissur.
Legende
links: Schematische Darstellung der strukturellen Organisation des Striatums und die Beziehung zum Globus pallidus und zur ventralen Vorderhirnregion.
(ac: Commissura anterior, ANC: Mandelkern, BST: Bettkern der Stria terminalis, Cd: Ncl. caudatus, DB: Ncl. diagonalis (Broca), GP: Globus pallidus, ic: Capsula interna, LV: Seitenventrikel, st: Stria terminalis, Tu: Tuberculum olfactorium (hellblau), VGP: ventrales Pallidum;
modifiziert aus: Hartz-Schütt, Ch. und Mai J.K.: Atlas der Cholinesterase-Aktivität im menschlichen Striatum unter besonderer Berücksichtigung der Insulae terminales. J. Hirnforsch. 32: 317-342 (1992).
rechts: Fötalgehirn, Nachweis von CD15. Hervorgehoben sind die verschiedenen Areale des Ncl. accumbens und das Tuberculum olfactorium (hellblau)
Legende
Beziehung zwischen Ncl. accumbens (medialer und zentraler Abschnitt) und Tuberculum olfactorium (hellblau) sowie funktionell definierten Endigungsbereichen des olfaktorischen Systems. Die Linien im oberen Bild stellen die Projektionen der Trajektorien der Elektroden zur Stimulation des Ncl. accumbens dar (mit freundlicher Genehmigung von Prof. V. Sturm, Köln).
Legende
Schematische Darstellung unterschiedlicher Sinneskategorien (Modalitäten)(von oben nach unten: Sehen, Geschmack, Geruch, Gefühl). Auf die anfängliche Verarbeitung innerhalb eines einzelnen Sinneskanals (horizontaler Strang) folgt die Konvergenz der Erregung in zwei Hauptregionen, dem orbitofrontalen Kortex und dem Mandelkernkomplex (Amygdala). Dank dieser Konvergenz können einzelne Neurone in diesen beiden Regionen auf unterschiedliche Kombinationen von Sinneseindrücken reagieren. Andererseits führt die Aktivität der Neurone in diesen beiden Arealen durch die Verbindung zum Ncl. accumbens und zum ventralen Pallidum zur Beeinflussung von Antrieb und Verhalten.
Abk.:
1: unterer Temporallappen,
2: primäre Geschmacksrinde,
3: primäre Riechrinde,
4: primäre sensible Rinde
(nach E. Rolls in: Mai, J.K., and B. Mallebrein: Sensi diVini.Edition Raetia. Bozen (2005).
3. Innerer Aufbau
Striatum: 90 - 95% der Neurone im Striatum sind Projektionsneurone. Sie sind mittelgroß mit strahlenförmig abgehenden, langen, stark verzweigten Dendriten, die dicht mit synaptischen Dornen (Spines) besetzt sind. Sie sind unter Ruhebedingungen annähernd stumm; d.h. ihre Aktivität wird durch (kortikale) exzitatorische Eingänge bestimmt. Da alle Projektionsneurone GABA als Neurotransmitter verwenden, resultiert daraus eine Inhibition am Zielort (entweder GPe oder GPi/SNR). Die restlichen 5 - 10% der Neurone verteilen sich auf große und kleine Interneurone. Sie besitzen alle glatte Dendriten. Zu diesen Neuronen gehören große cholinerge Interneurone, die erregend auf die Projektionsneurone wirken.
Abb. 13-9: Neuronenpopulationen der Basalganglien.
Striatum |
GP |
SNC |
||
PN |
IN |
IN |
PN |
PN |
![]() |
||||
a | b | c | d | e |
GABA/D1/SP GABA/D2/EK |
Azetylcholin |
verschiedene NTM |
GABA |
Dopamin |
Legende
a, Die Projektionsneurone (PN) des Striatum wirken hemmend. Sie lassen sich in zwei Klassen unterteilen. Die eine Klasse verwendet das Neuropeptid Substanz P und den Dopamin-Rezeptor vom Typ 1 (D1/SP und GABA); die andere Klasse enthält das Neuropeptid Enkephalin und den Dopamin-Rezeptor vom Typ 2 (D2/EK und GABA).
b,c, auch die Interneurone (IN) im Striatum bilden keine einheitliche Population. Sie wirken erregend, sind unterschiedlich groß, besitzen glatte Dendriten und verwenden unterschiedliche Neurotransmitter (NTM) bzw. Neuropeptide.
d, Die Projektionsneurone des im Globus pallidus und der SNR besitzen sehr lange, dicke Dendriten;
e, Die Projektionsneurone der SNC sind melaninhaltige, multipolare Neurone.
Globus pallidus und Substantia nigra: Der Zellaufbau in beiden Pallidumsegmenten und in der Substantia nigra, pars reticulata ist einander gleich. Er wird durch große Neurone gekennzeichnet, die - wie die Projektionsneurone des Striatums - GABA als Neurotransmitter verwenden. Die Substantia nigra, pars compacta muß als eigenständiger Kern betrachtet werden. Ihre Zellkörper erscheinen wegen des Melaninpigments geschwärzt. (Melanin findet sich im Erwachsenengehirn in den Neuronen, die Katecholamine als Neurotransmitter verwenden). Die schwarzen Zellen der Substantia nigra verwenden Dopamin als Neurotransmitter und projezieren hauptsächlich zum Striatum (nigro-striatale Verbindung).
4. Verbindungen
Fast alle Afferenzen der Basalganglien entspringen im Kortex. Sie laufen wie in einem Trichter im Striatum zusammen. Vom Striatum ziehen die Axone entweder direkt oder indirekt (s.u.) zum GPi/SNR-Komplex. Dieser stellt das Ausgangssystem der Basalganglien dar und vermittelt seine Information hauptsächlich in Richtung Thalamus (Ncl. ventralis anterior, VA, und Ncl. ventralis lateralis, VL, des lateralen Thalamus). Über den Thalamus gelangen die Fasern schließlich zum Kortex zurück.
Die Verbindungen der Basalganglien sind durch zwei Prinzipien gekennzeichnet:
A. Der Hauptinformationsfluß läuft aus dem Kortex über die Basalganglien und wird von dort wieder an den Kortex zurückgeführt (direktes oder Hauptsystem der Basalganglien, Abb. 13-3a).
B. Über Nebenschlüsse ("Satelliten"- oder Nebensysteme) wird der Erregungsdurchfluß durch das Hauptsystem modifiziert (Abb. 13-3b).
4.1 Das Hauptsystem (der direkte oder cortico-striato-pallido-thalamo-corticale Regelkreis
A. Organisation:
(1) Die Eingänge zum Striatum stammen aus allen Kortexarealen. Sie sind exzitatorisch und benutzen Glutamat als Neurotransmitter.
(2) Die Striatumneurone projizieren zum GPi/SNR-Komplex. Sie sind GABA-positiv und besitzen hemmende (inhibitorische) Wirkung. Diese direkte Verbindung zwischen Striatum und GPi/SNR-Komplex wird als striato-nigrale (!) Verbindung bezeichnet. Die Neurone dieser Projektion sind chemisch spezifiziert (D1/SP und GABA, siehe oben) und üben einen hemmenden Einfluß auf die (hemmenden ) GPi/SNR-Neurone aus.
(3) Der GPi/SNR-Komplex stellt das Ausgangssystem der Basalganglien dar. Seine Projektionsneurone sind wie die des Striatums GABA-erg (hemmend) und enden hauptsächlich im Thalamus (Ncl. ventralis anterior und Ncl. ventralis lateralis des lateralen Thalamuskerns, VA und VL). (Daneben werden vom GPi/SNR-Komplex als weitere Ziele der Ncl. habenulae (der Anschluß an das Limbische System vermittelt), die tiefen Schichten der Vierhügelplatte (aus denen der Tr. tecto-spinalis stammt) und die Haube (Tegmentum) von Mittelhirn und oberer Pons (über die Verbindungen zur Formatio reticularis zustande kommen) erreicht.
(4) Die thalamo-corticalen Fasern sind exzitatorisch. Sie enden in den Ursprungsgebieten der Pyramidenbahn (5).
B. Arbeitsweise auf den einzelnen Ebenen dieses Hauptsystems:
4.2 Die Nebenschlüsse
Die physiologische Aktivität der GABA-ergen Neurone im GPi/SNR-Komplex, dem Ausgang der Basalganglien, wird nicht durch den direkten Einfluß aus dem Striatum allein bestimmt. Mehrere Nebenschlüsse (Schleifen- oder Satellitensysteme, A-D) greifen in die direkte Funktionsschleife ein und bestimmen dadurch indirekt den Erregungszustand im Thalamus.
A: Die Ausgänge des Striatum verlaufen nicht nur direkt zum GPi/SNR-Komplex; eine indirekte Verbindung führt über das äußere Pallidumglied (6) und den Ncl. subthalamicus (7) zum GPi/SNR-Komplex (8). Diese indirekte Verbindung wird als striato-pallidale Verbindung bezeichnet. Das Projektionsneuron im Striatum ist GABA-erg und im Gegensatz zum Ursprungsneuron der striato-nigralen Verbindung durch Enkephalin und D2-Rezeptoren ausgezeichnet. Eine Aktivierung des Striatumneurons (6, D2/EK/GABA) führt zur Hemmung von GPe; hierdurch wird der hemmende Einfluß von GPe auf den Ncl. subthalamicus vermindert und somit eine Aktivierung von GPI/SNR erreicht.
B: Der Ncl. subthalamicus erhält außerdem eine direkte Afferenz aus dem Kortex (9). Der Kortex kann dadurch direkt auf das Geschehen innerhalb der Basalganglien Einfluß nehmen. Damit erhält der GPi/SNR-Komplex einen exzitatorischen Zugang, der zeitgleich mit der Hemmung aus dem Striatum eintrifft.
C: Die striato-nigro-striatale Verbindung führt vom Striatum zur Substantia nigra (10) und zurück (11). GABA-erge Striatumneurone projezieren zur Substantia nigra, pars compacta (SNC); deren pigmentierte (dopaminergen) Neurone wiederum projezieren zum Striatum zurück. Im Striatum besitzen sie auch Beziehung zu den cholinergen Interneurone (weißer Kreis). (Der Effekt von Dopamin auf die Striatumzellen wird über die beiden unterschiedlichen Rezeptortypen (D1,D2) vermittelt und besitzt unterschiedliche Folgen: ein Anstieg von Dopamin im Striatum führt einerseits zur erhöhten Aktivität der direkten (striato-nigralen) Verbindung andererseits zu einer verminderten Aktivität (Hemmung, Bremseffekt) der striato-pallidalen Projektionsneurone (siehe Abbildung). Die Wirkung von Dopamin wirkt sich nicht nur auf die striatalen Projektions- sondern auch auf die Interneurone aus. Besonders die cholinergen Neurone sind von der dopaminergen Modulation betroffen, denn Dopamin reduziert die Azetylcholinfreisetzung (durch D2-Rezeptoren). Dies bedeutet, daß eine Schädigung des dopaminergen nigro-striatalen Systems (die eine Verminderung der Dopamin-bedingten Hemmung und dadurch einen Anstieg der Azetylcholinfreisetzung zur Folge hat) zu einer vermehrten Aktivität der striato-pallidalen Neurone führt. Die klinischen Folgen (einer Schädigung der dopaminergen Neurone oder eine Unterbrechung der dopaminergen Projektion zum Striatum) werden als Parkinson'sche Erkrankung beschrieben (s.u.)).
4.3. Beziehung zwischen Basalganglien und Limbischem System
Die ventralen Abschnitte der Basalganglien (ventrales Striatum, ventrales Pallidum und Area tegmenti ventralis) sind funktionell dem Limbischen System zugeordnet. Sie erhalten ihrerseits Afferenzen aus limbischen Anteilen des Kortex (Cortex praefrontalis) und projizieren über den limbischen Teil des Thalamus (Ncl. dorso-medialis) zum Cortex praefrontalis zurück. In Entsprechung zur nigrostriatalen Verbindung erreichen dopaminerge Afferenzen aus der Area tegmenti ventralis das ventrale Striatum. Letztere Beziehung scheint im Zusammenhang mit der Entstehung von Psychosen zu stehen. Dieser Verarbeitungsweg ist als innerer Ring in Abb. 13-4 dargestellt.
5. Funktion der Basalganglien
Bewegungsabläufe, die im Kortex geplant werden, werden über den Abruf bereits etablierter Bewegungsprogramme zeitlich und dynamisch geregelt. Das heißt, dass Bewegungs-entwürfe nach ihrer Einleitung unter Zuhilfenahme bereits erlernter Anweisungsabfolgen für anatomisch definierte Muskelgruppen programmgemäß zu Ende geführt werden. Diese Vorstellung beinhaltet 3 Aspekte:
1. den Schutz eines begonnenen Bewegungsablaufs vor konkurrierenden (einschießenden) Bewegungen,
2. den Abruf der (erlernten) Programme, und
3. die Mobilmachung, Koordinierung und Synergie aller am Bewegungsablauf beteiligten Muskelgruppen.
6. Vergleich: Basalganglien und Cerebellum
7. Angewandte Anatomie
Die Funktion der Basalganglien beruht auf der bilanzierten (ausgewogenen) Opposition der Aktivität innerhalb der striato-pallidalen und striato-nigralen Verbindungen. Diese Balance macht Mechanismen verfügbar, die Muskelaktivität entweder verhindert oder erlaubt. Folglich werden entsprechend der klinischen Erscheinungsform der Bewegungsstörung Bewegungsverarmung (Hypokinese oder Akinese, z.B. Parkinson Syndrom) von Bewegungsüberschuß (Hyper- oder Dyskinese, z.B. Chorea Huntington, Athetose, Ballismus) unterschieden. Die nachfolgenden Schemata geben den Sachverhalt nur sehr oberflächlich wieder (siehe Lehrbücher der Neurologie).
7.1. Hypokinese (Parkinson Syndrom)
Das Parkinson Syndrom ist morphologisch durch den Verlust der melaninhaltigen (dopaminergen) Neurone in der SNC gekennzeichnet. Daraus resultiert eine Verminderung der Konzentration von Dopamin im Striatum. Klinisch ist das Parkinson Syndrom durch folgende Trias gekennzeichnet:
Bewegungsarmut (Akinese),
Erhöhung der Muskelspannung (Rigor) und
Tremor (Ruhe- und Haltetremor).
Legende
a, Vereinfachtes Konzept der dem M. Parkinson zugrunde liegenden Störungen des Basalgangliensystems. Beim Parkinsonsyndrom liegt die primäre Störung im Mangel des striatalen Dopamins. Dieser Dopaminmangel führt zu einer verstärkten Aktivität der D2/EK-Projektionsneurone (und verminderter Aktivität der D1/SP-Neurone) im Striatum. Dies führt bevorzugt zu erhöhter Aktivität der Verbindung zum äußeren Pallidumglied. Über den Umweg zum Ncl. subthalamicus führt dies zu erhöhter Entladungsfrequenz der GABA-ergen GPi/SNR-Neurone. Umgekehrt führt die Reduzierung der Aktivität der direkten Verbindung zu einer Rücknahme der Hemmung. Beide Effekte führen zu verminderter Unterstützung der Kortexneurone durch die stark gehemmten Thalamusneurone und damit zu verminderter motorischer Verhaltensaktivität des Patienten.
b, Charakteristische Haltung bei Patienten mit Parkinson-Syndrom. Die verdickten bzw. verdünnten (unterbrochenen) Linien geben vermehrte bzw. verminderte Aktivität der Neuronensysteme wieder. , , Erhöhung neuronaler Aktivität (durch Wegfall der Hemmung), , neuronale Schädigung.
7.2. Hyperkinesen (Chorea Huntington)
Morphologisch findet sich hier ein Zelluntergang im Neostriatum. Durch eine Verminderung der Aktivität der GPi/SNR Neurone werden die Thalamusneurone aus ihrer Hemmung entlassen, wobei Hyperkinesen (Dyskinesien) entstehen. Bei der Chorea Huntington findet man bei herabgesetztem Muskeltonus ständige Bewegungsunruhe bis zu grotesk ausfahrenden Extremitätenbewegungen, die blitzartig einsetzen. Die distale Extremitätenmuskulatur ist dabei bevorzugt betroffen.
Legende
a, Vereinfachtes Konzept der dem M. Huntington (Chorea Huntington) zugrunde liegenden Störungen des Basalgangliensystems. Bei der Chorea Huntington sind die GABA-ergen Neurone im Striatum betroffen. Daraus resultiert ein funktionelles Ungleichgewicht zwischen dem intakten dopaminergen Input aus der Substantia nigra und dem Mangel an GABA-ergen Neuronen im Striatum. Dies entspricht einer verminderten Aktivität der striatalen Projektionsneurone (bevorzugt derjenigen, die zum äußeren Pallidumsegment ziehen). Dies führt zu einer abnormal erhöhten Aktivität der Neurone im GPe, die zum Nucleus subthalamicus projezieren. Physiologisch betrachtet führt dies zu einer Inhibition, d.h. zu einer abnormal verminderten Aktivität der Neurone des Nucleus subthalamicus. Daraus resultiert schließlich eine verminderte Aktivität der Neurone im inneren Segment des Globus pallidus, die zum Thalamus projizieren. Die verdickten bzw. verdünnten (unterbrochenen) Linien geben vermehrte bzw. verminderte Aktivität der Neuronensysteme wieder. , , Erhöhung neuronaler Aktivität (durch Wegfall der Hemmung), , neuronale Schädigung.
8. Zusammenfassung
1. Die Hauptbestandteile der Basalganglien umfassen Striatum und Globus pallidus. Mit dem Thalamus und dem Kortex bilden sie einen geschlossenen Regelkreis.
2. Der Eingang zu den Basalganglien stammt aus allen Kortexarealen, während der Ausgang des Basalganglien-Systems nur zu den (motorischen) Kortexfeldern zurückführt, aus denen die Pyramidenbahn ihren Ursprung nimmt.
3. Die Basalganglien sind über rückläufige Verbindungen mit Substantia nigra und den Ncl. subthalamicus verbunden. Diese modulieren als "Satelliten" die Aktivität der Basalganglien-Schleife.
4. Das Basalganglien-System steht im Dienst der (ziel- und zweckgerichteten) Zusammenstellung von Bewegungsprogrammen; d.h. es unterstützt als Koordinierungs- und Sicherungssystem die vom Kortex geplanten Bewegungsabläufe. Außerdem ist es über seine ventralen Abschnitte und die Area tegmenti ventralis (als Teil des Limbischen Systems) in motivationale Aspekte der Bewegungsäußerung einbezogen.
5. Störungen des Zusammenspiels von Erregung und Hemmung innerhalb des Basalganglien-Systems führen zu abnorm unwillkürlichen (unzweckmäßigen) Bewegungen.