TOP

18 Hörsystem

Diese Seite zum Download

1. Lage und Organisation

Der Hörapparat besteht aus drei hintereinander gestellten Komponenten, die jeweils durch Membranen voneinander getrennt sind. Die Rezeptoren des Hörorgans befinden sich im Labyrinthsystem des Innenohrs. Von dort gehen die Erregungen über den Hörnerv zu den akustischen Schaltzentren im Rautenhirn, und gelangen nach mehrmaliger Umschaltung und Kreuzung zu den akustischen Rindenzentren.

Abb. 18-1: Organisation und Funktionsbereich des Hörorgans
 

A.: Äußeres Ohr

B.: Mittelohr

C.: Innenohr

 

Luft

Schalleitungsapparat

Flüssigkeit

senso-neurales System

  Ohrmuschel,

äußerer Gehörgang

Paukenhöhle, Gehörknöchelchen,

Ohrtrompete

Schnecke

N. cochlearis

  Luftschwingung Körperschwingung Flüssigkeitsbewegung
  Das äußere Ohr dient als Schallempfänger und Schalleiter. Das Mittelohr über-setzt die Luft-in Körper-schwingungen. Im Innenohr werden die Körperschwingungen in Flüssigkeitsbewegungen umgewandelt und von den Mechanorezeptoren (Vibrationsdetektoren) des Sinnesepithels in nervöse Erregungen umgewandelt.

2. Der periphere Leitungsapparat

2.1 äußeres Ohr

Zum äußeren Ohr gehören die Ohrmuschel (auris) und der äußere Gehörgang (Meatus acusticus externus), der bis zum Trommelfell (Membrana tympani) reicht. Das Trommelfell ist in die Pars tympanica des Schläfenbeins eingelassen und steht schräg zur Achse des äußeren Gehörganges. Bei der Ansicht des Trommelfells durch den Ohrtrichter erscheint es glatt, spiegelnd und glänzend sowie im Zentrum nach innen eingezogen. Das Relief wird durch die Verbindung des Hammergriff mit der Rückseite des Trommelfelles bedingt.

2.2 Mittelohr

Das Mittelohr stellt einen lufthaltigen, vom Felsenbein umschlossenen Raum dar, der sich in Paukenhöhle (Cavum tympani), Ohrtrompete (Tuba auditiva) und Cellulae mastoideae gliedern läßt. In der Paukenhöhle befindet sich die Gehörknöchelchenkette (,Hammer, Malleus; Amboß; Incus; Steigbügel, Stapes). Sie stellt die Verbindung zwischen Trommelfell und Innenohr her. Die Gehörknöchelchen zusammen.

Die Aufgabe des Mittelohrs besteht darin, akustische Wellen in mechanische Schwingungen zu transformieren (Leitungsapparat): Die Schalldruckschwankungen versetzen das Trommelfell in Schwingungen. Die drei Gehörknöchelchen leiten diese zum Innenohr weiter. Der Steigbügelfuß überträgt die Schwingungen auf die Flüssigkeit des Innenohrs und löst dadurch eine Flüssigkeitsbewegung aus.

Abb. 18-2: Modell der Paukenhöhle

3. Innenohr: Cochlea

Das Innenohr ist im Felsenbein untergebracht. Dort befindet sich ein Hohlraumsystem (knöchernes Labyrinth), in dem das häutige Labyrinth wie eine Replika liegt.

Abb. 18-3: Horizontalschnitt durch das Felsenbein
Legende

Dargestellt ist die Verbindung zwischen dem Hirnstamm (Kleinhirnbrückenwinkel) und dem Innenohr. Der Kreis markiert den Querschnitt durch die Cochlea.

Siehe teaching.thehumanbrain.info

Der Raum zwischen knöchernem und häutigem Labyrinth ist mit einer Flüssigkeit gefüllt, deren Zusammensetzung der Extrazellulärflüssigkeit entspricht (Perilymphe). Das häutige Labyrinth ist mit Endolymphe gefüllt, die der Intrazellulärflüssigkeit ähnelt. Das Labyrinthsystem besitzt die Größe eines "Zuckerwürfels" und besteht aus einem vestibulären und aus einem auditiven Abschnitt.

Abb. 18-4: Aufbau des Labyrinthsystems
Legende

a, Das Labyrinthsystem besteht aus einem vestibulären und aus einem auditiven Abschnitt. Das vestibuläre Labyrinth besteht aus dem Bogengangsystem und den Otolithenorganen. Das auditive Labyrinth besteht aus der Schnecke (Cochlea).

b, Schematische Darstellung des Endolymphraums und der Lage der Rezeptoren.

Der auditive Abschnitt des Innenohrs enthält einen wendelförmigen Knochenkanal mit ca. 2 1/2 Windungen, die Cochlea (Schnecke). Sie windet sich um einen zentralen Hohlzylinder (Modiolus). In der knöchernen Schnecke liegt die häutige Schnecke. Auf einem Querschnitt lässt sie drei übereinander liegende Gänge (Scalae, lat. Treppenaufgang) unterscheiden:

  1. die Scala vestibuli,
  2. die Scala tympani und
  3. die Scala media (Ductus cochlearis, Schneckengang).

Die Scala vestibuli steht mit dem Mittelohr durch das ovale Fenster in Verbindung und setzt sich im Helicotrema in die Scala tympani fort. Diese wiederum steht durch das runde Fenster mit dem Mittelohr in Verbindung. Die Scala media, die zwischen der Lamina spiralis ossea und der Seitenwand aufgehängt ist, senkt sich fingerförmig in die Spirale ein und endet blind im Bereich des Apex.

Der Ductus cochlearis (Endolymphraum) wird durch zwei Schneckentrennwände vom Perilymphraum getrennt. Apikal trennt ihn eine zweischichtige Membran (Reissner'sche Membran) von der Scala vestibuli; sein Boden wird durch die bindegewebige Basilarmembran gebildet und grenzt an die Scala tympani bildet. Der Ductus cochlearis ist mit hochdifferenziertem Epithel ausgekleidet. Seitlich befindet sich ein kapillarreiches Gewebe (Stria vascularis), das als stoffwechselaktives Gebiet für den Aufbau und Erhalt der außergewöhnlichen Ionenkonzentration der Endolymphe (und der endocochleären Potentiale) eine wichtige Rolle spielt.

Abb. 18-5: Das Hörorgan
Legende

a, Axialschnitt durch die Schnecke. Die häutige Schnecke ist ihrer Länge nach in 3 Gänge geteilt:
1. Scala vestibuli,
2. Scala tympani und
3. Scala media (Ductus cochlearis, Schneckengang).


b, Das Corti'sche Organ befindet sich im Ductus cochlearis. Er wird gegenüber der Scala vestibuli durch die Reissner'sche Membran, gegenüber der Scala tympani durch die Basilarmembran abgetrennt. Die Basilarmembran ist zwischen Lig. spirale ossea und Lig. spirale ausgespannt. Ihre Länge und Steifheit ändert sich von der Schneckenbasis zur Schneckenspitze (Helicotrema).

c, Aufbau des Hörorgans. Im Corti'schen Organ befinden sich die Rezeptorzellen, die in vier Reihen, von der Schneckenbasis zur Schneckenspitze verlaufen. Das Stützgerüst der Cochlea wird neben des Stützzellen der Haarzellen selbst von den a) inneren und äußeren Pfeilerzellen, b) inneren (Phalangen-) und äußeren Stützzellen (Deiters'sche Zellen), sowie c) einfachen Stützzellen (Zellen von Hensen) gebildet (Abb. 18-6d).

4. Entwicklung des Innenohres

Das Innenohr (Gleichgewicht- und Hörorgan) entwickelt sich aus der Ohrplakode. Sie senkt sich ein und schnürt sich zum Ohrbläschen ab. Es ist mit Oberflächenepithel ausgekleidet und mit Endolymphe gefüllt. Aus diesem Ohrbläschen entwickelt sich das häutige Labyrinth.

Abb. 18-6: Frühentwicklung des Innenohres (Maus, CD15)
Legende

Bildung des Ohrbläschens.

Schon sehr früh treten Nervenendigungen von Neuronen, die sich ebenfalls aus der Plakode differenzieren, an bestimmten Stellen in Kontakt mit den Epithelzellen; dort bildet sich Sinnesepithel aus.

Abb. 18-7:

Alle Sinneszellen liegen daher im häutigen Labyrinth. Das Ohrbläschen entwickelt mehrere Auftreibungen und Fortsätze und gliedert sich schließlich in eine Pars dorsalis (Pars utriculo-vestibularis) und eine Pars inferior (Pars sacculo-cochlearis, Abb. 18-4). Aus dem dorsalen Abschnitt des Ohrbläschens gehen Utriculus, Ductus endolymphaticus und die 3 Bogengänge hervor; aus dem unteren Abschnitt des Ohrbläschens gehen der Sacculus und der Ductus cochlearis hervor. Der Raum zwischen häutigem und knöchernem Labyrinth bildet sich nach Verknorpelung und Verknöcherung des Mesenchyms, das das häutige Labyrinth umgibt.

5. Hörorgan (Corti'sches Organ)

5.1 Rezeptorzellen

Die auditiven Rezeptorzellen befinden sich im Corti'schen Organ der Cochlea. Sie werden als auditive Haarzellen bezeichnet und ähneln den vestibulären Haarzellen. Ein Querschnitt der Cochlea (Abb. 18-5a,b und Abb. 18-8) zeigt ihre Lage im Corti'schen Organ. Sie verlaufen in vier Reihen, von der Schneckenbasis zum Helicotrema. Es gibt 1 Reihe innerer und 3 Reihen äußerer Haarzellen. Der Name "innere" und "äußere" bezieht sich auf ihre relative Nachbarschaft zum Modiolus. Der Mensch hat in jedem Ohr etwa 3.500 innere und 12.000 äußere Haarzellen.

Abb. 18-8: Histologie des Hörorgans (Meerschweinschen)

Die Haarzellen werden von Stützzellen gehalten. Dies sind hohe, schmale, schlanke Zellen, die von der Basilarmembran zur freien Oberfläche des Corti'schen Organs aufsteigen. Mehrere andere Stützzelltypen sind am Aufbau des Stützgerüstes der Cochlea beteiligt (Abb. 18-5c).

Abb. 18-9: Corti-Organ (Meerschweinschen)

Auf der Oberfläche jeder Haarzelle befinden sich Stereozilien. Die Stereozilien werden von einer gelatinöse Struktur überlagert, die sich über der freien Oberfläche des Corti'schen Organs erstreckt. Sie geht vom Modiolus aus und ragt in den Ductus cochlearis hinein, so daß das Corti'sche Organ praktisch zugedeckt wird (daher Membrana tectoria, Tektorialmembran). Die Spitzen der Stereozilien der äußeren Haarzellen sind in der darüberliegenden Tektorialmembran eingebettet; sie können sich daher nicht frei bewegen. Daraus folgt, daß die Bewegung der Basilar- und/oder der Tektorial- Membran zu einer Umlenkung der Stereozilien am Schopf der äußeren Haarzellen führt. Im Gegensatz dazu stehen die Stereozilien der inneren Haarzellen frei und es ist bisher noch unklar, wie die Signalübertragung bei den inneren Haarzellen zustande kommt.

Abb. 18-10:

a, Die äußeren drei Haarzellreihen sind durch die Pfeilerzellen von den nur in einer Reihe angeordneten inneren Haarzellen getrennt. Die Haarzellen werden von Stützzellen gehalten, die von der Basilarmembran zur freien Oberfläche des Corti'schen Organs aufsteigen. An der freien Oberfläche des Corti'schen Organs bilden sie eine dünne Cuticularplatte, durch welche die Spitzen der äußeren und inneren Haarzellen hindurchtreten. Die Stereozilien der äußeren Haarzellen ragen in die Tectorialmembran. Inset: Struktur innerer und äußerer Haarzellen und Anordnung der Stereozilien.

Abb. 18-10:

b, Die Verbiegung der Stereozilien in die ein oder andere Richtung führt entweder zur Depolarisation oder zur Hyperpolarisation der Haarzellen. Nur im Fall der inneren Haarzellen führt dies zur Erregung des Hörnervs. Die äußeren Haarzellen reagieren auf die Depolarisation mit einer Längenveränderung des Somas[1].

Legende

Abk.:
1, Modiolus,
2, Scala vestibuli,
3, Scala tympani,
4, Scala media,
5, Basilarmembran,
6, Reissner'sche Membran,
7, Lig. spirale ossea,
8, Lig. spirale,
9, N. cochlearis,
10, Tektorialmembran,
11, innere Haarzelle,
12, äußere Haarzellen,
13, Stützzellen,
14, Pfeilerzellen,
18, Corti-Tunnel,
19, Ggl. cochleae.

5.2 Innervationsmuster

Die Basis der Haarzellen wird durch die peripheren Fortsätze der Zellen des Ganglion spirale cochleae innerviert. Dieses Ganglion besteht aus etwa 30.000 myelinisierten bipolaren Neuronen, die im Modiolus der Cochlea liegen (Abb. 18-6a,b). 90 % dieser peripheren Fortsätze innervieren die inneren Haarzellen (Abb. 18-5f). Dabei erhält jede innere Haarzelle von ungefähr 10 Fasern Kontakte und jede Faser endet nur an einer einzigen inneren Haarzelle (Abb. 18-5f). Da jede Ganglienzelle nur eine einzige innere Haarzelle innerviert, ist die Antwort, die von einzelnen Ganglienzellen (einschließlich ihrer peripheren und zentralen Äste) abgeleitet werden kann, für eben jene Ganglienzelle spezifisch.

Abb. 18-11: Innervationsmuster der inneren und äußeren Haarzellen.
Legende

Jede innere Haarzelle erhält von ungefähr 10 Fasern Kontakte und jede Faser endet nur an einer einzigen inneren Haarzelle. Die äußeren Haarzellen erhalten nur wenige afferente Nervenfasern (Vergleich mit Johannisbeere). Außerdem unterliegen die äußeren Haarzellen einer starken efferenten Kontrolle.

Das Innervationsmuster der äußeren Haarzellen unterscheidet sich davon sehr deutlich. Während beinahe die gesamte afferente Innervation die inneren Haarzellen betrifft, erhalten die äußeren Haarzellen eine starke efferente Innervation. Sie treiben einen zellmembranständigen "Motor" an, der die Länge der äußeren Haarzellen reguliert. Damit können sie aktiv die Auslenkung der Basilar- bzw. Tektorialmembran und damit den Empfindlichkeits- und Dynamikbereich der inneren Haarzellen erheblich besser ausnutzen. Zum eigentlichen Hörvorgang tragen die äußeren Haarzellen jedoch nicht bei.

5.3 Arbeitsweise

Wenn ein bestimmter Ton oszillatorische Bewegungen des Steigbügels auslöst, verursacht dies Flüssigkeitsbewegungen innerhalb der Cochlea. Wie das Corti'sche Organ auf die Flüssigkeitsbewegung reagiert, ist in der Abbildungsfolge dargestellt (Abb. 18-#):

Abb. 18-12: Innervationsmuster der inneren und äußeren Haarzellen.
Legende

Töne, die das Ohr erreichen, veranlassen den Steigbügel zu oszillieren. Seine Bewegung führt zur Ein- bzw. Auswärtsbewegung der Membran des offenen Fensters. Diese oszillierende Bewegung vermittelt unterschiedlichen Druck in den flüssigkeitsgefüllten Raum der Scala vestibuli. Da Flüssigkeit inkompressibel ist, führt dies zu einer entsprechenden Aus- bzw. Einwärtsbewegung der Membran des runden Fensters am Ende der Scala tympani.

Abb. 18-13: Innervationsmuster der inneren und äußeren Haarzellen.

Die Schwingungen des Steigbügels erzeugen in der Perilymphflüssigkeit laufende Wellen. Da die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der kurzen Wellenlängen geringer ist als die der langen Wellenlängen (Wellendispersion), bilden sich im Innenohr Wellen mit verschiedener Wandergeschwindigkeit. Bei hohen Frequenzen liegt die Maximalamplitude an der Basis der Cochlea; wenn die Reizfrequenz sinkt, liegt die Maximalamplitude der Bewegung zunehmen in der Nachbarschaft des Apex. Jede Frequenz hat demnach ihre Maximal-amplitude auf einer unterschiedlichen Position.

Für die Kodierung der unterschiedlichen Tonfrequenzen sind zwei mechanische Eigenschaften der Basilarmembran (schwarz) wichtig:

a. weist die Basilarmembran Querstreifungen auf,

b. ist die Basilarmembran nicht einheitlich breit. In der Nähe des ovalen Fensters ist sie eng (100 µm) und steif, mit zunehmender Nähe zum Apex wird sie weiter (500 µm) und flexibler.

Abb. 18-14:
Legende

1, Lamina spiralis ossea,
2, Ligamentum spirale,
3, Basilarmembran

Die Auslenkung der Schneckentrennwände an der frequenz-typischen Stelle ruft eine Vibrationen der Basilarmembran (Richtung der senkrechten Pfeile) und dadurch eine Mitschwingung des Corti'schen Organs hervor. Die Scherbewegung (Ü) gegenüber der Membrana tectoria (die wegen des unterschiedlichen Schwingungsschwerpunktes beider Strukturen verstärkt wird), führt zur Verbiegung der Stereozilien an der freien Oberfläche der Haarzellen in der Gegenrichtung (Þ ) und Erregung der inneren Haarzellen. Die Haarzellen, die sich dort befinden, wo die Oszillationen maximal sind, werden am stärksten abgelenkt. Insgesamt führen unterschiedliche Frequenzen zur Erregung unterschiedlicher Haarzellen an unterschiedlichen Positionen entlang der Basilarmembran.

Abb. 18-15:
Legende

F: Flüssigkeitsdruck,: Schwingungsschwerpunkte,
S1: Drehpunkt der Membrana tectoria.
S2: Drehpunkt der Basilarmembran

Die Verbiegung der Stereozilien in einer Richtung führt dazu, dass die Haarzellen depolarisiert werden und unter Freisetzung von Neurotransmitter die akustische Energie in Aktionspotentiale der afferenten Hörnervenfortsätze umsetzen. Bewegungen der Stereozilien in der Gegenrichtung hyperpolarisieren die Haarzellen, unterbinden also die Freisetzung von Transmitter und damit auch die Entstehung von Aktionspotentialen im Hörnerv. Auf diese Weise wird die oszillatorische Bewegung der Basilarmembran in oszillatorische Bewegungen von Stereozilien, in entsprechende Veränderungen der Membranpotentiale der Haarzellen, in oszillatorische Freisetzung von Neurotransmittern und schließlich in das Abfeuern von Aktionspotentialen umgesetzt.

Wenn ein bestimmter Ton eine oszillatorische Bewegung der Basilar-Membran auslöst, dann führt die Vor- und Rückbewegung der Stereozilien zu alternierenden Öffnungen und Schließungen der Ionenkanäle der Haarzellen, die zur Freisetzung von Transmitter an der Basis führen.

6. Die zentralen Verbindungen des Hörsystems

Die Haarzellen werden durch die peripheren Zellfortsätze des Ganglion spirale cochleae innerviert. Ihre zentralen Fortsätze bilden den N. cochlearis. Das Ganglion besteht aus markhaltigen bipolaren Neuronen, die im Modiolus der Cochlea liegen. In der menschlichen Cochlea finden sich ungefähr 30.000 Ganglienzellen.

Da jede Ganglienzelle nur eine einzelne innere Haarzelle innerviert, zeigt jede Hörfasern eine frequenztypische Antwort. (Die topographisch präzise Beziehung zwischen jedem Abschnitt der Basilarmembran und dem Antwortverhalten der zugehörigen Nervenfasern wird in allen Etappen der Hörbahn beibehalten). Die Hörfasern enden an zwei Cochleariskernen (Ncl. cochlearis dorsalis und ventralis). Vom ventralen Cochleariskern ziehen die Axone (über die Stria acustica ventralis, Trapezkörper, Corpus trapezoideum) bilateral zum oberen Olivenkomplex; von dort (zusammen mit direkten gekreuzten und ungekreuzten Axonen aus beiden Ncll. cochleares dorsales) im Lemniscus lateralis (LL) zum Colliculus inferior. Die Zellen im Colliculus inferior projezieren zum Corpus geniculatum mediale des Thalamus. Von dort erreicht die Hörbahn den primär-auditiven Kortex im Temporallappen.

Es sind zwei Eigenarten der Hörbahn zu beachten:

  1. Die Axone kreuzen häufig zwischen beiden Seiten. Dies hängt u.a. damit zusammen, daß wir die Fähigkeit besitzen, Tonquellen zu lokalisieren.
  2. Das auditive System besitzt viele rückläufige Verbindungen. So gibt es Verbindungen vom Cortex zurück zum Corpus geniculatum mediale, andere zum Colliculus inferior. Der Colliculus inferior projeziert zum Ncl. cochlearis zurück. Ein Kern im oberen Olivenkomplex bildet schließlich das olivo-cochleäre Bündel, das an den äußeren Haarzellen der Cochlea endet. Dieses Bündel beeinflußt die Empfindlichkeit für bestimmte Tonbereiche und ist wahrscheinlich am Phänomen selektiver Aufmerksamkeit beteiligt.
Abb. 18-16: Hörbahn
Legende

Die Hörfasern enden im Ncl. cochlearis dorsalis und ventralis an der Seitenfläche des Rautenhirns. Die Zellen der Cochleariskerne bilden das 2. Neuron. Ihre Axone verlaufen als Stria acustica dorsalis, intermedia und ventralis (Trapezkörper). Die Fasern im Trapezkörper gelangen zum oberen Olivenkomplex auf beiden Seiten. Axone aus dem oberen Olivenkomplex bilden das 3. Neuron. Sie verlaufen zusammen mit direkten gekreuzten und ungekreuzten Axonen aus dem Ncl. cochlearis im Lemniscus lateralis (LL). Der LL verläuft durch den Kern des Lemniscus lateralis, wo einige seiner Fasern enden. Alle (direkten und indirekten) Fasern enden schließlich im Colliculus inferior. Das nächste (4.) Neuron projeziert zum Corpus geniculatum med. des Thalamus. Diese Zellen senden ihre Axone zur primären Hörrinde, Querwindungen, im Gyrus temporalis superior (GT1).

Abk.:
1, Hörfasern aus dem basalen und apikalen Teil der Cochlea,
2, Ncl. cochlearis dorsalis,
3, Ncl. cochlearis ventralis (mit vorderem und hinterem Abschnitt),
4, Stria acustica dorsalis,
5, Stria acustica intermedia,
6, Stria acustica ventralis (Trapezkörper),
7, oberer Olivenkomplex,
8, Lemniscus lateralis,
9, Kern des Lemniscus lat.,
10, Colliculus inferior,
11, Corpus geniculatum mediale,
12, Gyrus temporalis superior (GT 1),
13, Fc. arcuatus, der Hörregion mit dem motorischen Sprachzentrum verbindet,
14, Pedunculus verebelli inf. Die Doppelpfeile geben Orte an, wo ein Faseraustausch mit der Gegenseite erfolgt.

7. Angewandte Anatomie

7.1 Hörprüfungen

Stimmgabelprüfungen: Durch sie wird der Vergleich von Schall- und Knochenleitung angestellt (Rinne-, Weber-Test). Sie dienen der Unterscheidung von Leitungs- (Schädigung des Mittelohres) und Empfindungsschwerhörigkeit (Schädigung von Cochlea, N. cochlearis oder zentraler Hörbahn,). Sie beruhen darauf, daß Töne auch am Mittelohr vorbei die Cochlea direkt, durch Knochenleitung, erreichen können (durch eine Vibration des gesamten Temporalknochens).

Audiometrie: Die äußeren Haarzellen besitzen die Fähigkeit zur Kontraktion. Dadurch bringen sie die Basilarmembran in Schwingung und produzieren dadurch selbst Töne (oto-akustische Emission). Die Registrierung solcher durch Klick ausgelöster (evozierter) oto-akustischer Emission wird als Screeningverfahren verwendet um objektiv die Hörfunktion bei Neugeborenen zu testen.

7.2 Schädigungen der Hörbahn

Von Anfang an gibt es eine bilaterale (binaurale) Repräsentation aus jedem Ohr innerhalb des zentralen Nervensystems. Daraus folgt, daß eine einseitige Schädigung der zentralen auditiven Verbindungen sowie der Hörrinde nicht zur monauralen Beeinträchtigung der Wahrnehmung von Tonfrequenzen führen. Solche Läsionen führen meist zu einem Verlust der Lokalisation der Tonquelle. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der primär auditive Kortex vom primär visuellen Kortex, wo sogar kleine Läsionen zu recht erheblichen und sehr präzisen Ausfällen des Gesichtsfeldes führen.

8. Zusammenfassung

Der akustischen Wahrnehmung liegen Luftschwingungen zugrunde. Die Gehör-knöchelchenkette des Mittelohrs formt die Luftschwingungen in mechanische Vibrationen um. Das Hörsystem besteht im wesentlichen aus einer mechanischen Einrichtung, der Cochlea, die Flüssigkeitsbewegungen in Neuralaktivität umwandelt. Unterschiedliche Abschnitte der Cochlea antworten selektiv auf unterschiedliche Tonfrequenzen.

Die auditiven Rezeptorzellen (Haarzellen) befinden sich im Corti'schen Organ der Cochlea. Sie reagieren auf die mechanische Auslenkung von Sinneshaaren in einem flüssigkeits-gefüllten Raum (Mechanorezeptoren). Die inneren Haarzellen dienen als echte Rezeptorzellen. Die äußeren Haarzellen dienen als Modulatoren der Empfindlichkeit der inneren Haarzellen.

Die Haarzellen werden durch die peripheren Fortsätze der Zellen des Ganglion spirale cochleae innerviert.

Das Innervationsmuster der inneren und äußeren Haarzellen und ihre Beteiligung am Hörvorgang ist sehr unterschiedlich:
Die inneren Haarzellen erhalten 90 % der gesamten afferenten Innervation. Jede innere Haarzelle erhält von ungefähr 10 Fasern Kontakte und jede Faser innerviert nur eine einzige innere Haarzelle.

Die äußeren Haarzellen erhalten eine starke efferente Innervation.

Die Hörbahn führt über die Cochlearkerne, die Oliva sup., Colliculus inf. und Corpus geniculatum mediale zur primären Hörrinde. Sie ist tonotopisch organisiert. Die Cochlea ist im Gehirn bilateral repräsentiert.

Beachten Sie die unterschiedliche Stellung von Colliculus inferior und Colliculus superior im Leitungsschema der Hör- und Sehbahn: Der Colliculus superior ist ein visuelles Reflexzentrum, er gehört nicht zur Seh-, sondern zur visuellen Reflexbahn. Der Colliculus inferior andererseits ist Bestandteil der Hörbahn.

Fußnoten

[1] afferente Nervenfaser des N. cochlearis (nach TINS, 1992)