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01 Neurozytologie

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Das Nervensystem (NS) enthält zwei Klassen von Zellen: Neurone (Nervenzellen) und Gliazellen (Glia). Die Glia füllt die Räume zwischen den Neuronen aus, ernährt sie und moduliert ihre Funktion. Neurone sprechen auf Phänomene sowohl der äußeren wie auch der inneren Umwelt an - Licht, Druck, Berührung, Temperatur, Laute, Stoffkonzentration, Schmerz und das Strecken von Muskeln. Sie leiten diese Informationen an andere Nervenzellen für die Weiterverarbeitung, für bewusste Erfahrungen, Empfindungen und für die Speicherung (Gedächtnisfunktion). Andere Neurone regulieren die Muskelkontraktion und die Sekretion von Drüsen. In seiner Gesamtheit reguliert das NS sämtliche Aspekte der Körperfunktionen.

Abb. 1-1: Modell einer typischen Nervenzelle.

1 Zellkörper (Soma),
2 Dendriten,
3 Axonhügel und Initialsegment,
4 Axon,
5 Kollaterale,
6 Endverästelungen des Axons,
7 präsynaptische Endigung,
8 Nucleus,
9 Nucleolus,
10 endoplasmatisches Retikulum,
11 Golgi-Apparat,
12 Markscheide,
13 Neurofilamente und Neurotubuli,
14 Mitochondrien
15 Internodium,
16 Schnürring,

Der Pfeil gibt die Richtung des Signalflusses an.


1. Neurone (Nervenzellen)

Allen Neuronen gemeinsam ist die Eigenschaft, einen elektrischen Impuls entlang ihrer Ausdehnung zu leiten und an andere Zellen (meist zu anderen Neuronen, aber auch zu Muskel- oder Drüsenzellen) zu vermitteln. Die Kontaktorte mit anderen Zellen, über die diese Signale weitergegeben werden, werden als Synapsen bezeichnet. Trotz der sehr unterschiedlichen Aufgabenbereiche und der beobachteten Formvielfalt ist der Bauplan der Neurone sehr stereotyp (Abb. 1-1).


1.1 Bauplan von Neuronen

Fast alle Neurone besitzen vier strukturell definierte Abschnitte, die ganz bestimmte Teilfunktionen vermitteln: Das Soma (Zellkörper, Perikaryon), die Dendriten, Fortsätze, die Erregungen zum Zelleib leiten, das Axon, ein Fortsatz, der Erregungen vom Soma weg leitet, und die präsynaptische Endigung, ein spezialisierter Endigungsbezirk des Axons (Abb. 1-1).

Das Soma enthält einen hellen, blasigen Kern (Nucleus) mit deutlichem Nucleolus sowie Zellorganellen wie Ribosomen, Lysosomen, endoplasmatisches Retikulum und Golgi-Apparat. Die Ribosomen der Neurone lassen sich mit basischen Farbstoffen deutlich färben; das Färbeprodukt wird als NISSL-Substanz (Tigroidsubstanz) bezeichnet. Im Soma findet die Protein- und Membransynthese statt. Von hier werden die neu gebildeten Makromoleküle in die Fortsätze transportiert (dendritischer und axonaler Transport). Das Soma synthetisiert auch Neurotransmittersubstanzen, die zu den präsynaptischen Endigungen transportiert werden. Seine Form wird weitgehend von der Zahl, Organisation und Orientierung der Fortsätze bestimmt.

Dendriten sind Ausziehungen des Somas. Sie besitzen demgemäß einen breitbasigen Abgang und verjüngen sich, meist unter starker Verästelung, zur Peripherie. Dendriten sind darauf spezialisiert, Signale von Sinneszellen oder von Axonen anderer Neurone zu empfangen. Sie wandeln diese Signale in elektrische Impulse um und reichen sie dann an den Zellkörper weiter. Da ihre Oberfläche (wie die des Somas) als Kontaktfläche für eingehende Impulse dient, bestimmen Größe und Orientierung der Dendriten wesentlich die Funktion der Neurone (Abb. 1-2). Einige Dendriten tragen in Form von Dornen (engl. spines) spezialisierte Kontaktbereiche; für dornentragende oder dornenfreie Neurone hat sich der Begriff "spiny/aspiny neurons" etabliert.

Abb. 1-2: Variabilität des Dendritenbaums.
Abb. 1-2
Variabilität des Dendritenbaums.
Legende

nach der Orientierung der Dendriten werden allo- (links) und isodendritische Neurone unterschieden.

Das Axon (Neurit) ist der Leitungsapparat des Neurons. Neurone enthalten nur ein einziges Axon, das sich im Endigungsgebiet allerdings meist stark verzweigt. Daher kann ein einziges Axon mit vielen Neuronen gleichzeitig verschaltet sein. Das Axon besteht aus einem dünnen, röhrenförmigen Fortsatz, der die Impulse ausschließlich vom Soma weg leitet. Er entspringt am Axonhügel, einem Ribosomen- (NISSL-Substanz-) freien Bezirk des Somas. Ihm folgt distal ein kurzer markscheidenfreier Bezirk, das Initialsegment. Die Axonlänge kann beim Menschen bis zu 1m betragen. Sein Durchmesser ist im Gegensatz zum Dendrit konstant und beträgt in der Regel zwischen 1 und 10 µm. Er ist direkt proportional zur Leitungsgeschwindigkeit des elektrischen Impulses (bis zu 400 km/h). Axone werden vom Zytoplasma der Gliazellen (= markloses Axon) oder von Gliazellmembranen (= myelinisiertes Axon) isoliert; sie sind daher nicht "nackt". Myelinisierte Axone leiten schneller als marklose.

Myelinisierung: siehe [1]

Im Axon finden sich neben Aktin- und Intermediär- (Neuro-) filamenten besonders viele Mikrotubuli. Sie dienen dem Transport von Strukturproteinen, Organellen und Enzymen entlang des Axons. Der Stofftransport vom Soma zur Endigung wird als anterograder axoplasmatischer Transport, derselbe Prozess in der Gegenrichtung wird als retrograder Transport bezeichnet.

Zu Unterschieden zwischen Dendrit und Axon siehe [2]

Präsynaptische Endigung und Synapse: In der Peripherie endet das Axon mit der präsynaptischen Endigung. Von hier wird das elektrische Signal an die nächste (postsynaptische) Zelle weitergegeben. Ihre Membran ist vom Axonendknopf durch einen schmalen Spalt (synaptischer Spaltraum) getrennt (Abb. 1-3). Der Kontaktbereich zwischen beiden kommunizierenden Zellen wird als Synapse bezeichnet. Jede Synapse besteht daher aus zwei strukturell getrennten Hauptkomponenten, einem Sende- und einem Empfangsteil. Der Sendeteil wird als präsynaptisches Element dem postsynaptischen Empfangsteil gegenübergestellt. Der Informationsfluss geht nur in eine Richtung.

Synapsentypen: Prinzipiell gibt es zwei strukturell und funktionell unterschiedliche Arten von Synapsen: elektrische und chemische. Die meisten Synapsen sind chemisch durch einen Überträgerstoff (Neurotransmitter). Die Wirkung eines Neurotransmitters wird dabei allein von der Reaktion des Rezeptors bestimmt. Abhängig vom Rezeptortyp resultiert aus der Erregung der vorgeschalteten Zelle entweder eine Erregung (Exzitation) oder eine Hemmung (Inhibition). Die chemischen Synapsen sind daher strukturell (Ort und Morphologie der Kontakte), physiologisch (erregend und hemmend) und biochemisch (Überträgerstoff und Rezeptortyp) zu unterscheiden.

Beachten Sie: Im allgemeinen anatomischen Sprachgebrauch wird die neuronale Verschaltung innerhalb langer Leitungsbahnen mit der "Weiterleitung" von Impulsen oder der Aktivierung der nachgeschalteten (postsynaptischen) Neurone gleichgesetzt. In diesem Sinne ist ein Neurotransmitter eine Substanz, die vom Nervenende eines Neurons freigesetzt wird um einen Nervenimpuls zum anderen Neuron weiterzuleiten, also zur Erregung führt. Tatsächlich vermitteln Neurotransmitter auch Hemmung. Wahrscheinlich existieren im ZNS sogar mehr hemmende als erregende Kontakte. Es ist daher nicht korrekt, die neuronale synaptische Verschaltung mit Informationsweiterleitung gleichzusetzen. Nicht der Neurotransmitter, sondern der Rezeptor bestimmt das Geschehen an der Synapse (subsynaptischen Membran).

Abb. 1-3: Beziehung zwischen Neuronen.
Abb. 1-3 Beziehung
zwischen Neuronen.

1 Endverästelung
2 präsynaptische Endigung (knopfartige Anschwellung des Axonendes, Axonterminale, Endkolben),
3 synaptische Bläschen/Transmittervesikel,
4 Mitochondrien,
5 Neurotubili,
6 subsynaptischer Verdichtung,
7 Synapsenspalt mit Membranadhäsion
8 synaptischer Dorn,
9 subsynaptische Membran.

Legende

a), Synapsentypen. Das präsynaptische Element einer Synapse wird (fast immer) von einem Axon gebildet. Das postsynaptische Neuron kann durch einen Dendriten, das Soma oder das Axon eines anderen Neurons repräsentiert sein:
1 axo-dendritische (A-D) "spiny" synapse (Dornensynapse)
2 axo-dendritische "aspiny" synapse
3 axo-axonische (A-A) Synapse.

Bei der axo-dendritischen Synapse erfolgt der Kontakt entweder an einem dorntragenden Dendriten, der sich in den Endkolben einsenkt (Dornensynapse, c) oder an einem glatten Dendriten b).

d) Bei der axo-axonalen Synapse bildet der Endknopf eine Axons eine Synapse mit einem anderen Axon. Wenn das nachgeschaltete Element ebenfalls von einem Endknopf gebildet wird, spricht man von einer präsynaptischen Verbindung.

Neuro-muskuläre Verbindung und neuro-hämale Synapse: Auch der Kontakt zwischen Neuron und Muskelfaser, Neuron und Gefäß oder Neuron und Drüse wird als Synapse bezeichnet. Man spricht dann von einer neuro-muskulären Verbindung (motorischen Endplatte), neuro-hämalen (-sekretorischen) Synapse, bzw. neuro-glandulären (epithelialen) Synapse. Durch Aktionspotentiale werden auch hier Neurotransmitter oder Botenstoffe freigesetzt, die Muskelkontraktion, Hormon- oder Sekretfreisetzung bewirken (Abb. 1-4).

Abb. 1-4: Neuro-muskuläre Verbindung und neuro-hämale Synapse.
Abb. 1-4:
Neuro-muskuläre Verbindung und neuro-hämale Synapse.

1 Axon,
2 Termininalverzweigung,
3 Skelettmuskelfaser,
4 Sarkolemm,
5 SCHWANN-Zelle am Axonende (Teleoglia),
6 Myofibrillen,
7 subsynaptische Membran (subneurales Faltenfeld),
8 motorische Endplatte

Legende

a, c Schematische Darstellung einer neuromuskulären (motorischen) Endplatte. Die Axone der Motoneurone bilden Synapsen mit Skelettmuskelfasern. Bei ihr besteht das postsynaptische Element aus einer Muskelfaser, die eine muldenförmige Vertiefung bildet. Als Neurotransmitter dient Azetylcholin.

b, d Neuro-hämale Beziehung. Hier wird das postsynaptische Element von der Kapillarwandung gebildet. An der neuro-hämalen Verbindung erfolgt die Freisetzung von Botenstoffen an das Blutgefäßsystem mit Wirkung auf entfernte Zielzellen.

e Neuro-glanduläre Beziehung.


1.2 Klassifizierung von Neuronen

Eine Einteilung von Neuronen kann aufgrund ihrer Stellung im Leitungsschema oder nach morphologischen, funktionellen und biochemischen Kriterien erfolgen

  • nach ihrer Stellung im Leitungsschema des NS: Eingangsneurone (afferente Neurone), Ausgangsneurone (efferente Neurone), Projektionsneurone und Interneurone,
  • nach der Zahl der Fortsätze: uni-, bi- und multipolare Neurone (Abb. 1-5),
  • nach der Größe des Somas: großzellige (magnocelluläre) und kleinzellige (parvocelluläre) Neurone,
  • nach der Länge des Axons: langaxonige Neurone (Golgi Typ I) und kurzaxonige Neurone (Golgi Typ II),
  • nach der Orientierung der Dendriten: iso- und allodendritische Neurone (Abb. 1-2),
  • nach der Zellform: z.B. spindelförmig, Pyramidenzelle, Kandelaberzelle,
  • nach Autoren: z.B. Purkinje-Zelle, Retzius-Zelle.
  • nach ihrer Funktion: motorische Neurone (Motoneurone), sensible Neurone (sensible Ganglienzellen) und Assoziationsneurone (Schalt- oder Interneurone).
  • nach biochemischen Eigenschaften ( Kap. 21).
Abb. 1-5: Morphologische Klassifizierung von Neuronen nach der Zahl ihrer Fortsätze.
Abb. 1-5:
Morphologische Klassifizierung von Neuronen.
Legende

a Unipolare Neurone besitzen nur einen Fortsatz.

b Bipolare Neurone besitzen zwei Fortsätze, die von den polaren Enden der (meist spindelförmigen) Zellkörper abgehen (Retina, sensible Ganglien des CN VIII).

c, Bei Ganglienzellen von Rückenmarks- und Hirnnerven spaltet sich der Fortsatz in kurzem Abstand vom Soma in einen proximalen und distalen Ast (pseudouni-polare Neurone).

d Bei den multipolaren Neuronen entspringen mehrere Fortsätze vom Soma. Mit der Ausnahme des einen Axons, stellen alle Fortsätze Dendriten dar.

e Neurosekretorisches Neuron. Hier finden sich im reich verzweigten Axon Auftreibungen (Varikositäten), die durch dünne intervariköse Segmente getrennt sind.


1.3 Zellgruppierungen

Schaltkreise: Neurone sind in Schaltkreisen organisiert. Diese sind nach strengen Regeln aufgebaut. Die Kenntnis der Verschaltungsregeln besitzt große Bedeutung für die Interpretation von normalen und gestörten Hirnfunktionen, aber auch für die modellartige Beschreibung der Arbeitsweise des Nervensystems in Form von neuronalen Netzwerken.

Abb. 1-6: Divergenz und Konvergenz in neuronalen Verbindungen.
Legende

a Divergenz innerhalb einer Verbindung führt zu einer "Amplifizierung" des Signals.

b Divergenz in mehrere Projektionen lenkt das Signal in getrennte Regionen.

c, Konvergenz mehrerer Eingänge desselben Ursprungs auf ein einziges Neuron.

d, Konvergenz mehrerer Eingänge (1, 2, 3) unterschiedlicher Herkunft auf ein Neuron.


Für die Reizaufnahme und Weitergabe in Form motorischer Aktivität sind mindestens zwei Neurone vorhanden. Diese direkte Verbindung eines sensiblen Neurons (Abb. 1-7a) mit einem motorischen Neuron (Abb. 1-7b) bildet den einfachen Reflexbogen. In der Regel werden jedoch Interneurone zwischen die sensiblen und motorischen Neuronen eingeschaltet. Dadurch wird ein sensibles Neuron in die Lage versetzt, mehrere motorische Neurone zu beeinflußen (Divergenz), während gleichzeitig ein motorisches Neuron durch viele sensible Neurone stimuliert werden kann (Konvergenz). In diesem Sinne integrieren und verstärken Interneurone Reflexe.

Abb. 1-7: Schaltkreise von Neuronen, dargestellt am Beispiel segmentaler und vertikaler Reaktion auf einen peripheren Reiz (Stichverletzung).
Abb. 1-7.
Schaltkreise von Neuronen, dargestellt am Beispiel segmentaler und vertikaler
Reaktion auf einen peripheren Reiz (Stichverletzung).

1 Rezeptor,
2 sensibles Axon,
3 Spinalganglienzelle,
4 Rückenmark,
5 Motoneuron,
6 Effektor,

7 aufsteigende sensible Faser,
8 Hirnstamm,
9 somatosensibler Cortex,
10 Kommissurenfasern,
11, motorischer Cortex,
12, absteigende motorische Faser (Pyramidenbahn).
Die Pfeile geben die Erregungsrichtung an.

Legende

a, b einfacher Reflexbogen,

c, d zusammengesetzter Reflexbogen mit interregionalen Verbindungen, die durch lange Projektionsaxone gebildet werden.

Graue und weiße Substanz: Die graue Substanz (Griseum) besteht aus Zellkörpern mit meist marklosen Fortsätzen. Sie findet sich im Hirnmantel (Pallium) als oberflächlich gelegenes, geschichtetes oder plattenförmiges Grau (Kortex). In subkortikalen Regionen sind zellreiche ("graue") Substanzanhäufungen meist durch weiße Substanz voneinander getrennt. Sie werden dort als subkortikales, tiefes Grau, oder einfach als Nucleus (Ncl., Kern) bezeichnet.

Die weiße Substanz (Album) ist durch das Auftreten markhaltiger Nervenfasern (Axone) gekennzeichnet. Nervenzellen fehlen hingegen oder sind sehr spärlich, während zahlreiche Gliazellen zu finden sind. Wie bei der grauen Substanz wird auch hier zwischen der weißen Substanz des Hirnmantels (Marklager) und den subpallialen Markfasern (Bündel) unterschieden.

Abb. 1-8: Histologie der weißen und grauen Substanz.
Abb. 1-8.
Histologie der weißen und grauen Substanz.

Unterschiede der Organisation von weißer Substanz im peripheren und zentralen NS [3]

Als Mischformationen, Eigenapparat, Gittersubstanz oder Substantia reticularis werden Gebiete bezeichnet, in denen die Nervenfasern netzartig verflochten sind und sich mikroskopisch ungeordnet darstellen. Im Gegensatz zum meist hochgeordneten Aufbau von Zellensembles in den "typischen" Kernen des NS und der Bündelung von Fasern in der weißen Substanz herrscht in Mischformationen eine vermeintliche Unordnung.

Ganglien sind Anhäufungen von Nervengewebe, das außerhalb des ZNS liegt bzw. in den Verlauf von peripheren Nerven eingeschaltet ist. Makroskopisch sind Ganglien als Anschwellungen (sog. Nervenknoten) erkennbar. Man unterscheidet Ansammlungen sensibler Neurone (Spinal- und Hirnnervenganglien) von solchen viszero-motorischer Neurone, die zum autonomen NS gehören.

Abb. 1-9: Histologische Darstellung eines Spinal- und eines Viszeralganglions
Spinalganglion Viszeralganglion
Legende

a, b: Spinalganglion[4]
(Azan)

c, d: vegetatives Ganglion [5]
(Viszeralganglion; Ggl. ciliare, HE-Färbung).

Ganglien: Multipolare Zelle: Vegetatives Ganglion
(Die Ganglien des vegetativen NS lassen sich in sympathische und parasympathische Ggl. unterteilen. Sie enthalten die Somata der postganglionären Neurone, die die Eingeweideorgane der Peripherie versorgen. Die Perikaryen der präganglonären Neurone liegen immer im ZNS. Die synaptischen Kontakte mit den postganglionären Neuronen liegen also innerhalb der vegetativen Ganglien.)

Histologisch finden sich vielgestaltige, multipolare Zellen (postganglionäre Neurone), die häufig in Gruppen liegen. Die die Neurone umgebenden Mantelzellen sind unregelmäßig angeordnet.
zahlreichen Zellfortsätze sind nur im Ansatz zu erkennen.  !)


2. Gliazellen (Glia)

Die Glia umfaßt alle nicht-neuronalen (Parenchym-) Zellen des NS.

Gliazellen (GZ) sind:

  • weit zahlreicher als NZ
  • Stütz- und Nähr-Elemente der Neurone
  • für das interzelluläre Milieu verantwortlich
  • Isolatoren von Axonen
  • Isolatoren der Hirnsubstanz (durch Aufbau von Grenzmembranen)

Im Gegensatz zu NZ:

  • besitzen sie nur einen Fortsatztyp ("Prozessus")
  • besitzen sie keinen (lichtmikroskopisch erkennbaren) Nucleolus
  • bilden sie keine Synapsen
  • sind sie nicht (wie NZ) erregbar
  • bleiben sie auch nach der Geburt teilungsfähig (besonders nach zerebralem Trauma)

Gliazellen werden aufgrund ihrer Herkunft

  • aus dem Neuroepithel als Neuroglia
  • aus der Neuralleiste als periphere Glia
  • aus dem hämatopoetischen System als Mesoglia (Bestandteil des Monozyten/Makrophagen-Systems) bezeichnet
Einteilung der Glia

Vorkommen Zelltypen Zellgröße
Neuroglia ZNS Astrozyten [6]
(Abb. 1-10a)
(Astroglia)

etwa 18-20 µm
(= Makroglia)
Oligodendrozyten [7]
(Abb. 1-10b)
(Oligodendroglia)

etwa: 3-8 µm
Spezialzellen: (Ependymozyten / Tanyzyten und Plexuszellen)
(Abb. 1-10c)
 
Periphere Glia PNS Schwann-Zellen
(= Neurilemm-Zellen)

 
Spezialzellen: (Mantelzellen)  
Mesoglia ZNS residentielle Makrophagen
(aus haematopoetischem System)
etwa 2-3 µm
(= Mikroglia [8])
Abb. 1-10: Morphologie von Gliazelltypen (Antikörper gegen das CD15-Epitop).[9]
Abb. 1-10a: Astrocyten
Astrocyten
Abb. 1-10b: Oligodendrocyt
Oligodendrocyt
Abb. 1-10c: Tanycyten
Tabycyten

Die Markscheide (Myelinhülle) wird im peripheren Nervensystem (PNS) von SCHWANN-Zellen, im ZNS von Oligodendrozyten aus konzentrischen Lamellen der Plasmamembran gebildet. Die membranösen Ansammlungen von Myelin sind auf Segmente des Axons (Internodien) beschränkt. Die Zwischensegmente werden als Schnürringe bezeichnet. Myelin wirkt als Isolator, so daß die aktivierbare Membran auf die Oberfläche der Schnürringmembran reduziert wird und die Erregung von Schnürring zu Schnürring springend (saltatorisch) weitergeleitet wird. Hierdurch wird die Leitungsgeschwindigkeit erhöht. Zusätzlich wird der Energieverbrauch gegenüber der kontinuierlichen Leitung gesenkt.

Abb. 1-11: Darstellung eines Axonabschnittes im Bereich des Schnürringes.
Abb.
1-11: Darstellung eines Axonabschnittes im Bereich des Schnürringes.
Legende

Im PNS und ZNS. Die spiralige Umwicklung von Axonen durch spezialisierte Plasmamembranen wird als Markscheide bezeichnet. Die Umwicklung ist auf Einzelsegmente des Axons (Internodium) beschränkt und läßt die Schnürringe (Nodalregion) frei. Im ZNS (oben) erfolgt die Bildung der Markscheide durch Oligodendrogliazellen, im PNS (unten) durch SCHWANN-Zellen.


3. Degeneration und Regeneration im NS

Infolge einer Schädigung des NS kommt es zu morphologisch faßbaren Veränderungen. Besonders gut untersucht sind Nervenzellveränderungen nach mechanischer Durchtrennung von Axonen. Veränderungen, die den Abschnitt peripher (distal) der Durchtrennung betreffen, werden als absteigende (WALLER'sche) Degeneration bezeichnet. Veränderung der proximalen Axonabschnitte und der zugehörigen Nervenzelle werden als retrograde Degeneration bezeichnet. Auch das durch die Axondurchtrennung betroffene (deafferenzierte) Gebiet weist reaktive Veränderungen auf (transneuronale Degeneration), deren Außmaß von der Menge und Bedeutung des betroffenen Faserkontingents für das Zielgebiet abhängt.

Unter Regeneration versteht man die funktionelle Wiederherstellung oder den Ersatz von Leitungsbahnen. Dies ist im ZNS des Menschen nicht möglich, wohl aber im PNS, wenn ein struktureller Leitweg vorhanden ist. Damit die Aussprossung durchtrennter Axone aus dem proximalen Nervenstumpf tatsächlich in das geschädigte Gebiet hinein gelingt, werden die durchtrennten Nerven chirurgisch durch Naht verbunden.


4. Zusammenfassung

Das Neuron bildet mit seinen Fortsätzen eine morphologische, trophische und funktionelle Einheit. Es wird in 4 Hauptabschnitte gegliedert: Soma, Dendrit, Axon und präsynaptische Endigung. Die Übertragung eines Nervenimpulses auf ein nachgeschaltetes Neuron (Neurotransmission) erfolgt über spezialisierte Kontaktbereiche, die Synapsen.

Die Neurotransmission setzt die Freisetzung eines Neurotransmitters durch die präsynaptische Zelle, seine Diffusion durch den synaptischen Spalt und seine Bindung an spezifische Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran voraus.


5. Fragen / Selbsttest

1. Aus welchen beiden Zellklassen setzt sich das Nervengewebe zusammen?

2. Durch welche Eigenschaften unterscheiden sich die Nervenzellen (NZ) von anderen Körperzellen?

3. Welche Gliazelltypen können Sie unterscheiden?

4. Klären Sie folgende Begriffe:
Nervenzelle, Neuron, Soma, Perikaryon, Dendrit, Axon, Neuropil unipolar, bipolar, pseudounipolar, multipolar Intermediärfilamente [10], Mikro-(Neuro-)tubuli, Neurofibrillen Synapse (inhibitorische, exzitatorische) Erregungsbildung und -Leitung (Richtung des Erregungsablaufs) Rezeptor, Effektor, Leitungsbogen, Reflex sensibel (sensorisch), motorisch, afferent, efferent somatisches (animales), autonomes (vegetatives) Nervensystem

5. Welche Färbungen werden zur Differenzierung des Nervengewebes eingesetzt?

6. Wie stellen Sie folgende Strukturen gezielt dar?
Soma, Markscheide, Neurofibrillen, Gesamtzelle


6. Links

http:// synapses.clm.utexas.edu/anatomy/neuropil/figure2.gif
http://webvision.med.utah.edu/IPL. html
http://www.stammzellen.nrw.de/ueber-stammzellen/videos/stammzellen-teil- ii.html

Fußnoten

[1] Myelinisierung: Die Markscheide (Myelinhülle) wird im PNS von Schwann Zellen, im ZNS von Oligodendrozyten aus konzentrischen Lamellen der Plasmamembran gebildet. Die membranösen Ansammlungen von Myelin sind auf Segmente des Axons (Internodien) beschränkt. Die Zwischensegmente werden als Schnürringe bezeichnet. Myelin wirkt als Isolator, so daß die aktivierbare Membran auf die Oberfläche der Schnürringmembran reduziert wird und die Erregung von Schnürring zu Schnürring springend (saltatorisch) weitergeleitet wird. Hierdurch wird die Leitungsgeschwindigkeit erhöht. Zusätzlich wird der Energieverbrauch gegenüber der kontinuierlichen Leitung gesenkt.


[2]

Dendrit

Axon

Histologie:

(meist) viele

1 Axon pro Neuron

kurz: < 700 µm

lang (200 µm) bis zu 1 m

breitbasiger

dünn am Abgang von Soma: Initialsegment

kontinuierliche Verringerung des Durchmessers

gleichbleibender Durchmesser (typisches Axon)

Verzweigungs-muster:

( siehe Skizze )

Teilungsort:

in Somanähe

weit peripher

Teilungsart:

für einen Zelltyp relativ konstant ("Dendroarchitektur")

irregulär

Oberfläche:

entweder Besatz durch Dornen (“spiny”)
oder glatt (“aspiny”)

glatt (typisches Axon)
Umhüllung: (ZNS: Oligodendrogliazellen;
PNS: Schwann'sche Scheide = Neurolemm

Organellen:

Dendriten: protoplasmatische Zellausläufer, deren Beschaffenheit der des Somas entspricht ("Verästelungen des Perikaryons"); im Anfangsteile großer Dendriten:
Nissl - Substanz/Ribosomen, GOLGI-Apparat

keine Nissl - Substanz bzw. Ribosomen,
kein GOLGI-Apparat

Darstellbarkeit:

mit allen Modifikationen der sog. Golgi-Methode
(wenig Neurofilamente, daher: geringe Affinität für Neurofibrillen-Methoden (zB.:Bielschowski, Cajal))

darstellbar nur mit Golgi-Rapid-Methode
viele, parallel verlaufende Neurofilamente:
hohe Affinität --> deutliche Färbung

Funktion:

Sammelstelle für Impulse (Peripherie -> Soma), Empfangsteil

Weitergabe von Impulsen (Soma --> Peripherie)
Sendeteil


[3]

PNS

ZNS

Axone verlaufen in Hirn- oder Rückenmarksnerven

Axone verlaufen in Tractus

Ansammlungen der Zellkörper liegen in Ganglien

Neuronengruppen liegen in Kernen

Nerven werden durch Perineurium umschlossen

Nerven werden von der Leptomeninx umgeben

Myelin stammt von Schwann-Zellen

Myelin stammt von Oligodendrogliazellen


[4]

Ganglien: Pseudounipolare (Spinalganglien-) Zelle
Ganglien sind Anhäufungen von Nervenzellen, die in den Verlauf von peripheren Nerven eingeschaltet sind. Makroskopisch imponieren sie als Anschwellungen.

Pseudounipolare NZ:
Meist in Gruppen stehende, auffallend voluminöse, kugelige NZ mit großem Kern, deutlichem Nukleolus und basophilem, fein granuliertem  Zytoplasma,

Dendriten fehlen.
(In der Umgebung findet sich eine regelmäßige, geschlossene Schicht von Gliazellen (=Mantelzellen = Satellitenzellen = Amphizyten).

[5] Ganglien: Multipolare Zelle: Vegetatives Ganglion

(Die Ganglien des vegetativen NS lassen sich in sympathische und parasympathische Ggl. unterteilen. Sie enthalten die Somata der postganglionären Neurone, die die Eingeweideorgane der Peripherie versorgen. Die Perikaryen der präganglonären Neurone liegen immer im ZNS. Die synaptischen Kontakte mit den postganglionären Neuronen liegen also innerhalb der vegetativen Ganglien.)

Histologisch finden sich vielgestaltige, multipolare Zellen (postganglionäre Neurone), die häufig in Gruppen liegen. Die die Neurone umgebenden Mantelzellen sind unregelmäßig angeordnet.
zahlreichen Zellfortsätze sind nur im Ansatz zu erkennen.  !)

[6]

Astrozyten bilden ein dreidimensionales Netzwerk aus Zellkörpern und strahlenförmig angeordneten Fortsätzen. Dieses Netzwerk ist in seiner Form, Dichte und Anordnung unabhängig vom Neuronensystem. Die Astrozyten stehen mit den ventrikulären, pialen und vaskulären Oberflächen des Nervengewebes in Verbindung, wo sie sich zu Gliagrenzmembranen verdichten und das Nervengewebe gegenüber dem Liquor und der Blutbahn abgrenzen.

Klassifizierung und Aufgabenbereiche von Astrozyten

Unterteilung:

protoplasmatische Astrozyten = Kurzstrahler (im Griseum)

 

fibrilläre Astrozyten  = Faserglia = Langstrahler (im Album)

 

 

Funktionen:

mechanische Funktion: Stütze für des Nervengewebe ("Kitt", Füllmasse, Stützgewebe)

 

Transportfunktion: Verbindungsglied zwischen hämatogenem und neuronalem System

 

homöostatische Funktion: Aufrechterhaltung und Kontrolle des Ionenmilieus in der extra-zellulären Flüssigkeit


[7]

Oligodendrozyten sind kleine Zellen mit  rundem oder polygonalem Soma, sehr schmalem basophilen Zytoplasmasaum um den kleinen Nukleus (kein Nucleolus erkennbar!); relativ wenig dünne Fortsätze (keine perivaskulären Endfüßchen).
Beachte: Im Gegensatz zur Schwann-Zelle, die nur ein Markscheidensegment (eines einzigen Axons) umwickelt, bilden Oligodendrogliazellen zwischen 1 und 20 (bis 60?) Internodien.
Sonderformen (Spezialzellen) finden sich an der Grenzfläche von NS bzw. Plexus choroideus und Liquorraum als Ependymocyten, Plexuszellen, Tanycyten.

[8]

Mikroglia (Mesoglia) -Zellen entsprechen den gewebetypischen Zellen des Monozyten/Makrophagen-Systems. Sie liegen meist in der Nachbarschaft kleiner Gefäße. Im normalen Gewebe sind sie inaktiv (Glia im Wartezustand); bei Entzündungen und degenerativen Prozessen des Gehirns vermehren sich die Mikroglia-Zellen und betätigen sich bei Gewebezerfall als "Abraumzellen".

[9]

Mai, J.K. (2004): CD15. Encyclopedia of Molecular Biology. Wiley

[10] Intermediärfilamente Intermediärfilamente (Filamenta intermedialia) sind im Zytoplasma einer Zelle gelegene Strukturen aus Proteinen, die der Erhöhung der mechanischen Stabilität der Zelle dienen. Der Name rührt daher, dass Intermediärfilamente in ihrer Größe mit einem Durchmesser von 10 Nanometern zwischen den Aktinfilamenten (7 nm) und den Mikrotubuli (25 nm) liegen.

Intermediärfilamente bilden mit den Mikrotubuli und Aktinfilamenten (oder Mikrofilamenten) das Cytoskelett der Zelle.

[11] (Beachten Sie: Als Plexus wird auch die mikroskopisch erkennbare, verwobene Anordnung von Axonen des autonomen NS bezeichnet.)

[12] Die Energieformen, die auf die Sinnesorgane treffen, sind unterschiedlicher Natur. Diesen Unterschieden werden die Rezeptoren dadurch gerecht, daß sie für eine bestimmte, spezifische Reizform besonders empfindlich sind. Die Reizart, die diesen Ansprechbereich trifft, wird adäquater Reiz genannt. Für das Auge ist der adäquate Reiz die elektromagnetische Strahlung eines bestimmten Wellenlängenbereiches; für die Zellen des Innenohrs ist der adäquate Reiz die mechanische Deformation, vermittelt durch Druckschwankungen des umgebenden Mediums (Schall); für Geruchs- und Geschmacks-Rezeptoren ist es die Beschaffenheit chemischer Stoffe.

[13] Innerhalb des jeweiligen Reizspektrums ist der Bereich, auf den der Rezeptor anspricht, beschränkt. Anders ausgedrückt wirken nur solche Phänomene der Umwelt als Sinnesreize, die in Interaktion mit einem adäquaten Rezeptor treten. Daher vermitteln uns die Sinnesorgane  kein getreues Abbild der Außen- oder der Innenwelt, sondern ein durch den Ansprechbereich der Rezeptoren begrenztes Spektrum von Einflüssen. Für das Individuum existiert die (Außen-)Welt nicht objektiv; sie ist eine abhängig von seinem Bewußtsein bestehende Wirklichkeit.

[14] Innerhalb eines Sinnesorgans findet sich nicht nur ein einzelner Rezeptortyp. Bestimmte Teilbereiche einer Reizform (Modalität) werden durch unterschiedliche Rezeptortypen vermittelt. (Im Riechepithel sind dies ca. 350).

[15] Auch wenn nicht-adäquate Reize zu einer Erregung führen, bleibt der Typ der Erregung immer derselbe. Diese nicht-adäquaten Reize müssen aber wesentlich intensiver sein (So bewirkt der durch die Ohrfeige ausgelöste Druck auf die Haut Druck und Schmerzempfindung, der Druck auf das Auge löst Lichtempfindung aus, der Druck auf das Ohr wird als Knall empfunden, der Druck auf die Zunge führt zu saurem, bittereren Geschmack etc.). Da jedes sensible System eine diskrete Verbindung vom Rezeptor zum Kortex besitzt, wird die Art der Erregung auch beibehalten (Gesetz der Projektion). Gleichgültig auf welchem Streckenabschnitt die afferenten Impulse ausgelöst werden, stets führt die Erregung zu einem gleichen Ergebnis. Für die Qualität der Empfindung ist daher nicht die physikalisch beschriebene Art des Reizes, sondern der Einwirkungsort ausschlaggebend (d.h. dasselbe Sinnesorgan wird immer dieselbe Mitteilung machen).

[16] Nur wenige Informationen, die über die Rezeptoren an das ZNS weitergeleitet werden, werden überhaupt wahrgenommen. Der Rest wird entweder unbewußt verarbeitet oder gar nicht verwendet. Durch efferente Verbindungen kann die Wahrnehmungsbereitschaft verändert werden, d.h.  Reize oder Reizkomponenten können akzentuiert oder unterdrückt werden.