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02 Oberflächliche Gesichtsregion: Mimische Muskulatur

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Tabelle 2-1: Allgemeine Übersicht und Tafelverzeichnis der Muskeln des Kopfes.

Kopfmuskeln

1 mimische Muskeln (Gesichtsmuskeln)
2 Kaumuskeln
3 obere Zungenbeinmuskeln
4 Zungenmuskeln (siehe Kapitel 15)
5 Gaumen- und Schlundbogenmuskeln (siehe Kapitel 15)

1. Theorie

1.1 Allgemeine Anatomie:

Die mimische Muskulatur lagert sich direkt der Skelettgrundlage der Gesichtsregion auf, und stellt mit dem subkutanen Fettpolster die Form des Gesichtes dar.

Sonderstellung der mimischen Muskeln:
1. Sie ziehen nicht über Gelenke hinweg (d.h. sie ziehen nicht wie die übrigen Muskeln von Knochen zu Knochen), sondern inserieren vielfach in der Haut (-> Bewegung der Gesichtshaut).

2. Sie inserieren ohne Zwischenschaltung einer Ansatzsehne (Ausn.: M. buccinator).

3. Sie besitzen keine Faszie (Ausn.: M. buccinator).

Entwicklung:
Das Verständnis der morphologischen Anordnung der oberflächlichen Muskulatur des Kopfes wird dann erleichtert, wenn Sie sich mit den Entwicklungsbeziehungen vertraut machen. Die mimische Muskulatur gehört ontogenetisch mit dem N. facialis zum zweiten Schlundbogen (Hyoidbogen), also zum Bereich des Halses (Abb. 2-1, Abb. 2-2). Von hier gelangt die Muskelanlage, indem sie die Kaumuskulatur (die aus dem 1. Schlundbogen = Mandibularbogen stammt) überwächst in die vordere Gesichtshälfte, wo sie sich zur mimischen Muskulatur differenziert. Die diversen Beziehungen, die während der Entwicklung zu den verschiedenen Öffnungen im Kopfbereich zu etablieren waren, führen zu der starken Zerlegung der Muskelanlage. Dies ist die Ursache für das ausgeprägte individuelle Erscheinungsbild und für das Auftreten zahlreicher individueller Unterschiede.

Abb. 2-1a: Auswanderung der Mm. aus dem 2. Schlundbogen in die Gesicht- und Halsregion
Abb. 2-1b:

Legende

Abb. 2-1:
a: Kiemenbogen und zugehörige Kiemenbogennerven.
b: Auswanderung der mimischen Mm. aus dem 2. Schlundbogen in die Gesicht- und Halsregion.
c: Derivate der Muskelanlage des 2. Schlundbogens

rot; u.a. die Ringmuskeln um die Mund-, Nasen- und Ohröffnung;
grün: Muskeln des 1. Kiemenbogens

Tabelle 2-2: Einteilung der mimischen Muskeln
a) Mm. des Schädeldaches M. epicranius (M. occipito-frontalis und M. temporo-parietalis)
("Schädelhaubenmuskel")
b) Mm. in der Umgebung des Auges M. orbicularis oculi (" Augenringmuskel")( 3 Teile) M. depressor supercilii ("Herabzieher der Augenbraue") [1]
M. corrugator supercilii ("Runzler der Augenbraue") [2]
c) Mm. in der Umgebung der Nase M. nasalis ( 2 Teile: Pars transversa, Pars alaris) [3]
M. depressor septi ("Senker des Nasenseptums") [4]
M. procerus ("Herabzieher der Stirnglatze) [5]
d) Mm. des äußeren Ohres Mm. auriculares ant., sup., post.
e) Mm. des Mundes

zirkuläres orales System
3 M. orbicularis oris ("Mundring-" oder "Lippenmuskel") [6]
6 M. buccinator (tief gelegen) ("Backen-" oder "Trompetenmuskel") [7]
  radiäres orales System
1 M. levator labii sup. alaeque nasi
2 M. levator labii sup.
4 M. depressor anguli oris
5 M. risorius
7 M. zygomaticus major
8 M. zygomaticus minor
9 M. levator anguli oris
10 M. depressor labii inf.
11 M. mentalis
f) Hautmuskel, Platysma


Abb. 2-2: Mimische Muskeln
 
Abb. 2-3: Anatomie am Lebenden
Legende

Abb. 2-3:
Zeichnerische Darstellung der Schnittebenen (Querschnittsanatomie), von Knochen- und Weichteilpunkten, Gesichtsregionen, Leitungsbahnen und der mimischen Muskulatur.

Video:

FILM: Facial Muscles University of Michigan:
The anatomy of the facial muscles using a human cadaver.

FILM: Universität Düsseldorf Medizinische Fakultät Anatomie 1

FILM: Lateral Aspect of the Face University of Michigan:
Lateral aspect of the face; parotid gland and fossa and face using a human cadaver.


Fußnoten

[1] 

M. depressor supercilii. Er liegt medial vom M. corrugator supercilii und strahlt nach oben in die Haut der Augenbraue ein. Funktion: Er zieht die Augenbraue nach unten und medial.

[2] 

M. corrugator supercilii. Er entspringt, bedeckt von der Pars orbitalis des Ringmuskels des Auges, vom Stirnbein. Die Fasern ziehen schräg seitwärts auf, durchsetzen die Pars orbitalis sowie die Fasern des M. frontalis und strahlen aus in die Haut oberhalb des mittleren Drittels der Augenbraue. Funktion: Er zieht die Augenbraue median abwärts und erzeugt eine tiefe Furche, die an der Seite der Nasenwurzel nach oben zur Stirn zieht.

[3] 

M. nasalis: Eigen-Muskel der Nase Er zieht bei kräftiger Kontraktion die gesamte Weichnase nach unten, wobei sich der untere Teil der seitlichen Nasenflügelfurche vertieft. Funktion: Erweiterung/Verengung der äußeren Nasenöffnungen.

[4] 

M. depressor septi, Senker des Nasenseptums

[5] 

M. procerus, Herabzieher der Stirnglatze Er entspringt am knöchernen Nasenrücken und strahlt zur Haut der Stirnglatze aus. Funktion: zieht die Stirnhaut abwärts und erzeugt prominente Querfalten auf der Nasenwurzel.

[6] 

M. auricularis anterior - vorderer Ohrmuskel (Ursprung: Fascia temporalis; Ansatz: Ohrknorpel-Vorderrand M. auricularis superior – Heber des Ohres (Ursprung: Schädelhaube (Galea), Ansatz: Ohrknorpel-Oberrand) M. auricularis posterior – Rückwärtszieher des Ohres (Ursprung: Processus mastoideus, Ansatz: Ohrknorpel-Hinterwand) Kleine, variable Ohrenmuskeln am Knorpel der Ohrmuschel (M. tragicus, M. antitragicus, M. helicis major et minor).

[7] 

Der Schließmuskel des Mundes (Mundringmuskel) bildet die Grundlage der Lippen. Er besteht aus Systemen von Muskelfasern, die rings um die Mundöffnung angeordnet sind. Zum größten Teil sind es Fortsetzungen der radiären Muskulatur, zum kleineren Teil selbständige Bündel. Die funktionelle Anordnung der Muskeln in der Umgebung des Mundes ist so gestaltet, dass sie ein zirkuläres und ein radiäres System bildet. Die Muskeln vernetzen sich am Mundwinkel zu einem Muskelknoten (Modiolus). Im Zusammenspiel mit dem in den Muskelknoten einstrahlenden anderen Muskel verformt er die Mundspalte und die Lippen. Funktion: Die Aufgabe des Mundringmuskels besteht darin, (1) den Mund zu verschließen, (2) die Lippen als Greiforgan zu benutzen.

[8] 

Der Wangen-, Backen- oder Trompetermuskel (M. buccinator) bildet die Grundlage der Wangen. Topographisch unterscheidet man eine oberflächliche und eine tiefe Schicht. Die funktionelle Anordnung der Muskeln in der Umgebung des Mundes ist so gestaltet, dass sie ein zirkuläres und ein radiäres System bildet. Die Muskeln vernetzen sich am Mundwinkel zu einem Muskelknoten. Funktion: Er hat die Aufgabe, bei gefülltem Vorhof der Mundhöhle dessen Inhalt auszutreiben.

2. Präparation

Vorbemerkungen:

1. Die Präparation der mimischen Muskulatur ist schwierig und zeitraubend. Es besteht ein sehr inniger Zusammenhang mit der Haut und der Subcutis. Daher sind ihre Ansatzstellen nach der Abtragung der Haut zerstört. Um diesen Schaden gering zu halten, haben Sie bei der Präparation des SMAS-Lappens das Skalpell so dicht wie möglich an der Unterseite der Haut geführt!

2. Achten Sie genau auf die Leitungsbahnen des Gesichtes. Ihr Verlauf wird erst in der kommenden Stunde verfolgt!

2.1 Mm. des Schädeldaches M. epicranius
(M. occipito-frontalis und M. temporoparietalis):

Die Haut des Kopfes ist entfernt worden (Kap. 1). Stellen Sie M. epicranius und die Galea aponeurotica dar (Abb. 2-4).

Abb. 2-4: Weichteilmantel des Kopfes

2.2 Mm. in der Umgebung des Auges:

1. Die Präparation beginnt mit der Entfernung des Unterhautfettgewebes vom temporalen Rand der Orbita (oberhalb des Jochbogens) nach nasal.

2. Stellen Sie die oberflächlichen Lagen des M. orbicularis oculi und M. frontalis dar. Die Farbunterschiede zwischen Fett und Bindegewebe einerseits und der Muskulatur andererseits sind in Ihren Präparaten gering. Achten Sie auf den unterschiedlichen Faserverlauf der Muskulatur und tragen Sie Fett und Bindegewebe mit scharfem Skalpell tangential ab. Arbeiten Sie sehr vorsichtig am medialen Augenwinkel.

3. Trennen Sie M. orbicularis oculi von den Fasern des Venter frontalis des M. epicranius wie in Abb. 2-2 dargestellt und stellen Sie den M. procerus sowie den M. corrugator supercilii dar.

4. Achten Sie auf den kleinen Ast des N. palpebralis des N. lacrimalis, der durch den M. orbicularis oculi verläuft und dann in den seitlichen Teil des Oberlids eindringt.

5. Bestimmen Sie die Anteile des M. orbicularis oculi:

Merke:

Der Lidschlag wird von der Pars palpebralis im Wechsel mit dem Lidheber (M. levator palp. sup.) ausgeführt. Beim kräftigen Lidschluss (beim Zukneifen des Auges) hilft die Pars orbitalis.

  • Die Pars orbitalis (derjenige Teil des Muskels, der nicht mehr den Augenlidern angehört) runzelt die Haut in der Umgebung der Augenlider;
  • die Pars palpebralis schließt die Lidspalte;
  • die Pars lacrimalis wirkt auf den Tränensack erweiternd und dadurch ansaugend auf die Tränenflüssigkeit.
Abb. 2-5: Mimische Muskulatur im Bereich des vorderen Augenabschnitts

Rote Pfeile: M. corrugator supercilii, Runzler der Augenbraue. Die Fasern ziehen schräg seitwärts, durchsetzen die Pars orbitalis sowie die Fasern des M. frontalis und strahlen aus in die Haut oberhalb des mittleren Drittels der Augenbraue.

2.3 Mm. in der Umgebung der Nase

1. Prüfen Sie die Beweglichkeit der Nasenspitze. Tasten Sie den Übergang vom knorpeligen zum knöchernen Nasenabschnitt. (Der knorpelige Anteil unterlagert den knöchernen – wichtig bei Nasenkorrekturen!).

2. Stellen Sie den M. nasalis dar (Achten Sie dabei auf seine beiden Anteile). Beachten Sie: Die detaillierte Präparation der Nase erfolgt später. Letzt werden nur die Muskeln der Nase dargestellt.

3. Beschreiben Sie die Stützstrukturen der Nasenspitze (siehe Kapitel 17, Regio nasalis ).

Box 2-1:

Stützstrukturen der Nasenspitze

Hauptstützelemente

  • Größe und Form der medialen und lateralen Flügelknorpelschenkel.
  • Bindegewebige Verbindung zwischen Basis der medialen Flügelknorpelschenkel und Septumknorpel.
  • Bindegewebige Verbindung zwischen kranialem Rand der lateralen Flügelknorpelschenkel und kaudalem Rand der Seitenknorpel.

nachgeordnete Stützstrukturen:

  • Ligamente zwischen den Flügelknorpeln am Dom
  • Septumknorpel am Nasenrücken
  • Sesamoidknorpelkomplex
  • Verbindung der Flügelknorpel mit Haut und mit Muskulatur
  • Spina nasalis anterior, membranöses Septum
Abb. 2-6: Muskeln in der Umgebung der Nase (M. procerus, M. nasalis und M. depressor septi nasi).

2.4 Mm. des äußeren Ohres:

Die Muskeln des äußeren Ohres sind Reste der Ringmuskulatur an der Ohröffnung. Zu ihnen gehören einerseits solche Muskeln, die die Ohrmuschel als Ganzes bewegen (der vordere, der obere und der hintere Ohrmuskel) und solche, die einzelne Teile der Ohrmuscheln gegeneinander bewegen. Beide Anteile sind beim Menschen nur rudimentärer Art. Sie werden daher nicht speziell präpariert. Suchen Sie jedoch die Leitungsbahnen in der direkten Umgebung des Ohres auf. Achten Sie besonders auf den N. auriculotemporalis!

2.5 Mm. des Mundes:

1. Mit dem M. orbicularis oris sind zahlreiche mimische Mm. verflochten; daher gestaltet sich eine saubere Darstellung schwierig. Beginnen Sie auch hier mit den zentralen Abschnitten am Rande des Lippenrots.

2. Danach stellen Sie die radiären Mm. dar und verfolgen Sie vorsichtig deren Muskelzüge in Richtung auf den M. orbicularis oris.

3. Den kaudalen Teil (Unterkieferteil) des M. orbicularis oris stellen Sie im Zusammenhang mit der Präparation des Platysma dar (siehe unten).

Abb. 2-7: Muskeln in der Umgebung des Mundes; Zugrichtung und Faltenbildung der Gesichtshaut
Legende

Abb. 2-7:
a: Muskeln in der Umgebung des Mundes;
b: Zugrichtung und
c: Faltenbildung der Gesichtshaut.

2.6 Platysma:

1. Bestimmen Sie zunächst die Ausdehnung und den Verlauf dieses Muskels, sowie seine Beziehung zur oberflächlichen Halsfaszie.

2. Säubern Sie die Oberfläche des Muskels.

3. Verfolgen Sie die blassen Muskelbündel kinn- und brustwärts. Anschließend legen Sie die Seitenpartien frei.

4. Beachten Sie die Anhaftung des Muskels am Kinn. Setzen Sie die Darstellung über das Kinn fort und stellen Sie die kranialen Abschnitte des Platysmas vom Unterrand der Mandibula in Richtung auf den Lippenwinkel dar. Beachten Sie: Über diesem Abschnitt des Platysmas liegen die Mm. depressor anguli oris und M. risorius (letzterer eine Abspaltung des Platysma). In gleicher Schichthöhe mit dem Platysma ist der M. depressor labii inferioris darzustellen.

5. Beachten Sie lateral den freien Übergang der Muskelbündel in den Gesichtsteil des Muskels. (Teile davon lagern sich dem M. risorius an). (Unter Umständen ziehen Bündel weiter lateralwärts bis unter die Ohrmuschel).

6. Mobilisieren Sie das Platysma, ziehen es ohrwärts und beschreiben den Effekt des "Halslifting".

7. Präparieren Sie den M. risorius frei und schlagen Sie ihn mit dem Rest des Platysmas bis zum Unterkieferrand um.

Zusammen darzustellen sind folgende Mm., die eine genetische Einheit bilden (Staubesand): M. zygomaticus mj., M. zygomaticus min., M. levator labii sup. alaeque nasi (V. facialis verläuft über ihm), M. levator labii sup. Der M. levator anguli oris („Mundwinkelheber“; auch M. caninus, da er in der Fossa canina des Oberkiefers entspringt) ist nach querer Durchtrennung der Mm. zygomaticus min. und levator labii sup. zugänglich.

Interpretieren Sie die Funktionen des radiären oralen Systems und diskutieren Sie die Auswirkung ihrer Kontraktion auf den Gesichtsausdruck (Abb.: 2-3).

Hinweise:

  • Lokalanästhesie bei operativen Eingriffen im Gesichtsbereich
  • Fehlbildungen
  • Physiognomische Funktionen der mimischen Muskeln