1. Theorie
1.1 Einleitung
1.1.1 Wirbelsäule
Die Wirbelsäule kann als gegliederte Knochenröhre beschrieben werden, die das Rückenmark und die Wurzeln der Rückenmarksnerven umschliesst. Zwischen je zwei Wirbelkörpern befinden sich Bandscheiben; zwei Wirbelbögen sind jeweils durch Bänder (Ligamenta intervertebralia: Ligamenta flava und interspinalia) abgeschlossen. Dadurch bleiben beidseits nur die Foramina intervertebralia für die austretenden Rückenmarksnerven offen.
Nur bei Betrachtung von vorn oder hinten bildet die gesunde Wirbelsäule eine Gerade, ohne seitliche Abweichung nach links oder rechts. Bei der Betrachtung von der Seite zeigen sich bei einem gesunden Menschen doppelt s-förmige Krümmungen:
- Der Halsteil ist nach zur Körpervorderseite hin gebogen (konkave Krümmung, Halslordose),
- der Brustteil zeigt eine Biegung zur Körperrückseite (konvexe Krümmung),
- der Lendenteil ist wieder nach vorn konvex (Lendenlordose),
- das Kreuzbein zeigt wieder nach hinten.
Diese 4 Krümmungen addieren sich zu einer fortlaufenden Schlangenkrümmung. Man stellt fest, dass solche Wirbel, die nicht mit Nebenknochen in Verbindung stehen (Hals- und Lendenreihe), nach vorn gekrümmt sind, solche dagegen, die mit Nebenknochen des Stammes (Brustwirbel und Kreuzbein) verbunden sind, nach hinten konvex sind. Die nach hinten konvexen Krümmungen vergrössern den Rauminhalt der vor ihnen liegenden Brust- und Beckenhöhle.
Die Krümmungen der Wirbelsäule sind bei Embryonen und Kindern nur angedeutet; sie entwickeln sich erst mit dem aufrechten Gehen und Stehen. Bei sehr alten Menschen geht die schlangenförmige Krümmung der Wirbelsäule (mit Ausnahme der Kreuzbeinkurvatur) wieder in eine einzige Bogenkrümmung über, deren Konvexität nach hinten sieht, und als Senkrücken bezeichnet wird.
Naturgemäß tragen nur die 24 wahren Wirbeln zur Beweglichkeit der Wirbelsäule bei. Sie beruht vorwiegend auf der Bandscheibe, die als elastisches Kissen dem benachbarten Wirbel eine geringe Bewegung nach allen Seiten erlaubt. Wenn auch der Bandapparat die Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander stark limitiert, so resultiert doch aus der Summe der Teilbewegungen der einzelnen Wirbel einen hohes Maß an Gesamtbiegsamkeit. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist allerdings nicht an allen Stellen gleich. Sie hängt von Höhe und "Qualität" der Bandscheiben, der Spannung des Bandapparates, der Größe der Wirbelkörper, der Stellung, Richtung und Länge der Wirbelfortsätze und der Spannung der Muskulatur ab.
Die kleinste zentrale Funktionseinheit der Wirbelsäule ist das vertebrale Bewegungssegment. Dieses umfaßt den zwischen zwei Wirbeln liegenden Bewegungsraum und enthält folgende Strukturen:
- Bandscheibe,
- knorpelige Abschlußplatten mit Grund- und Deckplatte der angrenzenden Wirbelkörper,
- die beiden Facettengelenke,
- das vordere und hintere Längsband,
- das Lig. flavum und weitere kleinere Bandstrukturen.
Berücksichtigt werden muss auch die Muskatur, über die Stoßkräfte abgeleitet und somit aufgefangen werden können. Erst dadurch kann die "Stoßdämpfer"-Funktion der mehrfach gebogenen Wirbelsäule wirksam werden.
1.1.2 Wirbel (Vertebrae)
Allgemeine Merkmale der Wirbel (siehe Lehrbuch)
http://www.meddean.luc.edu/lumen/MedEd/GrossAnatomy/learnem/bones/main_bone.htm
http://www.meddean.luc.edu/lumen/meded/Radio/curriculum/Bones/Strcture_Bone_teach_f.htm
http://www.meddean.luc.edu/lumen/meded/Radio/curriculum/Bones/Strcture_Bone_f.htm
1.1.3 Bänder (Ligamente) der Wirbelsäule
Es lassen sich allgemeine Wirbelsäulenbänder, die die ganze Länge der Wirbelsäule einnehmen von speziellen unterscheiden, die sich nur an bestimmten Stellen der Wirbelsäule finden, namentlich am oberen und unteren Ende, wo die Wirbel besondere, vom allgemeinen Wirbeltypus abweichende Eigenschaften besitzen.
A) Allgemeine Bänder, die in der gesamten Ausdehnung der Wirbelsäule zu finden sind.
Sie finden sich entweder als lange kontinuierliche Bandstreifen an der ganzen Länge der Wirbelsäule, oder sie treten zwischen je zwei Wirbeln, nur nicht zwischen Atlas und Axis, in derselben Art und Weise auf.
Kontinuierliche lange Bandstreifen befinden sich an der vorderen und hinteren Fläche der Wirbelkörper. Das vordere lange Wirbelsäulenband (vorderes Längsband, Lig. longitudinale anterius), entspringt an der Pars basilaris des Hinterhauptbeins, haftet fest am Vorderrand der Wirbelkörper und besonders der Bandscheiben, und verliert sich ohne deutliche Grenze in die Knochenhaut des Kreuzbeins. Das hintere Längsband (Lig. longitudinale posterius) beginnt am Körper des zweiten Halswirbels und verliert sich im Periost des Kreuzbeinkanals. Es hängt, wie das vordere, viel fester mit den Bandscheiben, als mit den Wirbelkörpern zusammen. Das vordere Längsband beschränkt die Rückwärtsbeugung, das hintere die Vorwärtsbeugung der Wirbelsäule.
B) Allgemeine Bänder zwischen einzelnen Wirbeln:
- Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben, Disci intervertebrales)
- Zwischenbogenbänder, oder gelbe Bänder (Ligamenta flava). Sie liegen jeweils zwischen zwei Wirbelbögen. Da sie nur aus elastischen Fasern bestehen besitzen sie ein hohes Maß an Dehnbarkeit, das bei jeder Vorwärtsbeugung der Wirbelsäule in Anspruch genommen wird.
- Zwischendorn- und Zwischenquerbänder (Ligamenta interspinalia et intertransversalia), sowie Kapselbänder der Gelenkfortsätze.
1.2. Halswirbelsäule (Columna vertebralis, pars cervicalis)
1.2.1 Morphologie, skelettale Grundlage
Das skelettöse Rückgrat des Halses wird zwischen Kopf und Brustwirbelsäule durch die 7 oberen Wirbelkörper (WK) gebildet. Davon haben die beiden dem Schädel am nächsten liegenden Wirbel (Atlas und Axis) eine vom üblichen Aufbau eines Wirbel abweichende Bauform. Die fünf folgenden sind „typische“ Wirbel. Wie bei der restlichen Wirbelsäule befinden sich zwischen den Halswirbeln Bandscheiben (Ausnahme: zwischen dem 1. und 2. Halswirbel fehlt die Bandscheibe).
Durch die Querfortsätze der Halswirbelsäule zieht (beidseits) die Wirbelarterie (A. vertebralis), die sich zusammen mit der inneren Halsschlagader (A. carotis interna) an der arteriellen Versorgung des Gehirns beteiligt.
Aus dem Rückenmark entspringen im Bereich der Halswirbelsäule auf jeder Seite acht Nervenstränge, die Spinalnerven. Für die neurologische Diagnostik ist es wichtig, dass die erste (Zervikal-)Wurzel oberhalb des 1. (Zervikal-)Wirbels austritt; die 8. (Zervikal-)Wurzel unterhalb des 7. Wirbels. Die oberen 4 Nerven (C1-C4) bilden zusammen das Halsnervengeflecht (Plexus cervicalis), dessen periphere Äste den Hals und die Halsmuskulatur, aber auch das Zwerchfell innervieren. Die unteren 4 Nerven (C5-C8) bilden zusammen mit den Nerven des ersten Brustwirbelkörpers (Th1) das Armnervengeflecht (Plexus brachialis), die die Brust-, Rücken- und Armmuskulatur sowie die dazugehörige Haut innervieren.
1.2.2 Halswirbel (Vertebrae cervicales)
Ein charakteristisches Merkmal sämtlicher sieben Halswirbel bildet das Querfortsatzloch, Foramen transversarium. Kein anderer Wirbel hat durchbohrte Querfortsätze. Die vordere Spange geht von den Seiten des Körpers, die hintere, wie die Querfortsätze aller übrigen Wirbel, vom Bogen aus. Die vordere Spange stellt ein Rippenrudiment dar, die hintere Spange kann mit dem Processus transversus eines Brustwirbels verglichen werden. Das Foramen transversarium eines Halswirbels entspricht folglich dem zwischen Rippenhals und Querfortsatz des Wirbels offen bleibenden Raum.
Mit Ausnahme der ersten beiden teilen die Halswirbel (C3-C6) folgende Kennzeichen:
- Halswirbel besitzen kleine, niedrige, aber breite Körper und ein großes Foramen vertebrale.
- Die obere Fläche ist von rechts nach links, die untere von vorn nach hinten konkav. Legt man zwei Halswirbel über einander, so legen sich die zugekehrten Flächen sattelförmig aufeinander.
- Der Wirbelbogen gleicht mehr den Schenkeln eines gleichseitigen Dreiecks, dessen Basis der Körper stellt. Das Foramen vertebrale ist somit eher dreieckig als rund.
- Der horizontal gerichtete Dornfortsatz, Prc. spinosus, spaltet sich an seiner Spitze in zwei Zacken (am 6. Halswirbel werden diese zu zwei niedrigen Höckern; am 7. Halswirbel zu einem einfachen rundlichen Knopf).
- Die durchlöcherten Querfortsätze sind kurz, rinnenartig gekehlt, und endigen in einen vorderen und hinteren Höcker, Tuberculum anterius et posterius.
- Die auf- und absteigenden Gelenkfortsätze sind niedrig, ihre Gelenkflächen rundlich und vollkommen eben. Die oberen stehen schief nach hinten und oben, die unteren schief nach vorn und unten (die artikulierenden Facetten liegen bei 45° in der Transversalebene).
Atlas
- Der erste Halswirbel (Atlas, Träger) besitzt keinen Körper, sondern besteht aus einem vorderen und hinteren Halbring (Bogen).
- Da wo die beiden Halbringe seitlich zusammenstossen, liegen die dicken Seitenteile (Massae laterales atlantis), die sich in die stark vorragenden und massigen Querfortsätze ausziehen.
- Obere und untere Gelenkfortsätze, sowie der Dornfortsatz, fehlen. Statt der Gelenkfortsätze finden sich nur obere, von vorn nach hinten ausgehöhlte, und untere, ebene, überknorpelte Gelenkflächen.
- Der Dornfortsatz ist auf ein kleines Höckerchen in der Mitte des hinteren Halbringes reduziert.
- An der Rückseite des vorderen Halbringes liegt eine kleine, rundliche, überknorpelte Facette (Fovea dentis) für die Artikulation des Atlas mit dem Zahnfortsatz des zweiten Halswirbels.
- Sein Foramen vertebrale ist wegen des fehlenden Körpers größer als bei irgend einem anderen Wirbel.
- Die zum Kopf hin gerichteten Gelenkflächen verbinden diesen ersten Halswirbel, und damit auch die gesamte Wirbelsäule, mit dem Schädelknochen.
Axis
- Der zweite Halswirbel (Axis., Dreher), unterscheidet sich ebenfalls charakteristisch vom typischen Halswirbel.
- Sein kleiner Körper trägt an der oberen Fläche einen zapfenförmigen Fortsatz, den Zahn (Dens axis).
- Der Zahn, ragt in die Lücke an der Innenseite des knöchernen Bogens des Atlas hinein.
- Die oberen Gelenkfortsätze werden nur durch zwei plane, rundliche Gelenkflächen nahe am Zahn gebildet. Sie sind etwas schräg nach außen und abwärts geneigt.
7. Halswirbel = Vertebra prominens:
- Der 7. Halswirbel hat den längsten Dornfortsatz, und heißt deshalb Vertebra prominens. Er kann bei den meisten Menschen als deutliche Vorwölbung am unteren Nacken getastet werden.
- Der Dorn erscheint nicht mehr gespalten, und auch nicht horizontal gerichtet, sondern etwas schief nach abwärts geneigt.
- Das For. transversarium ist irregulär; in der Regel tritt nur die Wirbelvene hindurch.
1.2.3 Bandscheibe
Die einzelnen Wirbelkörper sind über die Bandscheiben (Zwischenwirbelscheiben) sowie durch Wirbelgelenke miteinander verbunden. Der Mensch besitzt 23 Bandscheiben, die insgesamt ca. 25 % der Länge der „freien Wirbelsäule“ ausmachen. Sie bestehen aus einer Außenhülle aus Faserknorpel (Anulus fibrosus) und einem Kern aus gallertartiger Substanz, die ihm eine visköse Konsistenz verleiht (Nucleus pulposus). Die Zwischenwirbelscheibe stellt ein Bindegewebskissen zwischen den Wirbelkörpern dar (Synarthrose, genauer: Synchondrose). (Bei den zervikalen Bandscheiben zeigt der Anulus eine ungleiche Dicke und verjüngt sich nach dorsal).
1.2.4 Gelenke
Eine Besonderheit der Halswirbelsäule besteht darin, dass die Wirbelkörper des Erwachsenen ein zusätzliches Gelenkpaar, die Uncovertebralgelenke, aufweisen. Sie entwickeln sich beim Menschen erst in der ersten Lebensdekade. Sie entspringen aus den Fußpunkten der Pedikel und bilden an der seitlichen Oberkante der Wirbelkörper einen Knochenvorsprung. Dieser bildet ein Widerlager gegen die Unterkante des nächst höheren Wirbelkörpers.
1.2.5 Kopfgelenke (Cranio-vertebrale Gelenke): (Oc)-C1-C2
Als Kopfgelenke werden die Gelenke zwischen den Condylen des Hinterhaupts (CO), dem ersten Halswirbel (Atlas, C1) und dem zweiten Halswirbel (Axis, C2) bezeichnet. Diese beiden Gelenke bewirken die Beweglichkeit des Kopfes in alle Richtungen.
Oberes Kopfgelenk: Condylus occipitalis und 1. Halwirbel (CO – C1)
Das obere Kopfgelenk oder Atlanto-Okzipitalgelenk (Articulatio atlantooccipitalis) liegt zwischen den beiden Kondylen des Hinterhaupts (Occiput) und der Fovea articularis cranialis des Atlas.
Die Artikulationsfläche des Schädels mit dem ersten Halswirbel wird vom Condylus occipitalis (Processus condyloideus) gebildet. Er stellt sich am äußeren Rand des Hinterhauptlochs als elliptischer, von vorn nach hinten konvexer, mit glatter Knorpelscheibe überzogener Knopf dar (Processus condyloideus). Hinter dem Gelenkkopf liegt die flache Fossa condyloidea. Der innere glatte Rand beider Gelenksteile bildet den Seitenrand des grossen Hinterhauptlochs.
Der Atlas ist an zwei Stellen mit dem Hinterhauptknochen des Schädels verbunden und bildet ein Ei- oder Ellipsoidgelenk. Es ermöglicht vorwiegend Streckung und Beugung, also Nickbewegungen. Dadurch kann der Kopf "ja sagen" ("Ja-Gelenk"). Im geringerem Umfang sind auch Seitwärtsneigungen des Kopfes möglich. Die Gelenkkapsel ist wegen der weiten Exkursionen sehr locker (Abb. ##).
Unteres Kopfgelenk: 1. und 2. Halwirbel (Atlas und Axis)
Das untere Kopfgelenk oder Atlanto-Axialgelenk (Articulatio atlantoaxialis) liegt zwischen Atlas und Axis. Hier greift der Dens axis wie ein Zapfen in eine Grube am Atlas (Fovea dentis) und bildet ein sogenanntes Rad- oder Zapfengelenk. Um den Dens des Axis werden vorwiegend Drehbewegungen wie beim Kopfschütteln ausgeführt. Diese Drehung des Atlas um den Zahnfortsatz des Axis ermöglicht (dem Kopf) "nein zu sagen" ("Nein-Gelenk"). Das Zapfengelenk ermöglicht 20°-30° Rotation zu jeder Seite. Etwa 70 % der Kopfdrehung geschieht in diesem unteren Kopfgelenk, der Rest in der übrigen Halswirbelsäule (Abb. ##).
1.2.6 Bandapparat der Kopfgelenke
Die Halswirbelsäule wird durch mehrere Bänder gestützt:
A. Bänder zwischen Atlas und Hinterhauptbein.
Der Raum, der zwischen dem vorderen Halbring des Atlas und der vorderen Peripherie des Hinterhauptlochs, sowie zwischen dem hinteren Halbring und der hinteren Peripherie dieses Loches übrig bleibt, wird durch zwei fibröse Häute verschlossen, die Membrana atlanto-occipitalis anterior et posterior). Das hintere wird beidseits von der Arteria vertebralis durchbohrt, die vom Loch des Querfortsatzes kommend scharfwinklig abbiegt und auf dem Atlas zum grossen Hinterhauptloch verläuft [1].
Die Gelenkflächen der Processus condylares des Hinterhauptes und der Seitenteile des Atlas werden durch fibröse Kapseln zusammengehalten, deren vordere und hintere Wände schlaff und nachgiebig sind, um die Beugung und Streckung des Kopfes nicht zu beschränken.
B. Bänder zwischen Axis, Atlas, und Hinterhauptknochen.
Der Zahn des Axis wird durch ein starkes Querband (Ligamentum transversum atlantis) gehalten. Es verläuft von einem Seitenteil des Atlasringes bogenförmig um den Zahn zur gegenüberliegenden Seite. Das Band teilt die Öffnung des Atlas in einen vorderen Raum für den Zahn des Axis, und in einen hinteren, größeren, für das Rückenmark.
Vom Oberrand des Dens axis geht ein Fortsatz zum Vorderrand des großen Hinterhauptlochs; ein ähnlicher Fortsatz zieht vom Unterrand zum Körper des Axis. Diese beiden senkrechten Fortsätze bilden mit dem Querband ein Kreuz, Ligamentum cruciforme. Es gilt als das “lebenswichtigste” aller Bänder.
Damit der Zahn aus dem (durch den vorderen Halbring des Atlas und durch das Querband gebildeten) Ring nicht herausschlüpft, wird er zusätzlich am vorderen Umfang des grossen Hinterhauptlochs durch drei Bänder, ein mittleres und zwei seitliche, befestigt. Das mittlere (Spitzenband, Ligamentum apicis dentis) geht von der höchsten Spitze des Zahnes zum Vorderrand des Foramen occipitale magnum; die beiden seitlichen (Flügelbänder, Ligamenta alaria) erstrecken sich von den Seiten der Zahnspitze zu den Seitenrändern des Hinterhauptlochs, und zur inneren Fläche der Processus condylares. Sie beschränken die Drehbewegung des Kopfes.
Der hier beschriebene Bandapparat wird durch eine fibröse Membran zugedeckt, die über dem Vorderrand des grossen Hinterhauptlochs entspringt, von der harten Hirnhaut durch zwischengelagerte Venengeflechte getrennt ist, und am Körper des zweiten Halswirbels dort endet, wo das Ligamentum longitudinale posterius beginnt: Membrana tectoria (Deckhaut).
Zwischen der vorderen Peripherie des Zahnes, und der anstossenden Gelenkfläche des vorderen Atlasbogens, sowie zwischen der hinteren Peripherie des Zahnes, und dem über sie quer weggehenden Ligamentum transversum, befinden sich Synovialkapseln.
Einige Bänder bilden die Fortsetzung von (allgemeinen) Bändern der übrigen Wirbelsäule:
- Membrana atlanto-occipitalis ant. = kraniale Fortsetzung des Lig. longitudinale ant. (vom Atlas zur BCE)
- Membrana atlanto-occipitalis post. = Äquivalent des Lig. interspinale und des Lig. flavum der subaxialen WS (verbindet den Hinterrand des For. occipitale mg. mit dem hinter den Gelenk gelegenen Abschnitt des Arcus post. des Atlas).
- Membrana tectoria = kraniale Fortsetzung des Lig. longitudinale post. (Die sog. « tiefe » Portion der Tectorialmembran liegt zwischen Axis und okzipitalen Condylen).
Spezielle Bänder zur Sicherung des Dens axis:
- Spitzenband, Lig. apicis dentis
- Flügelbänder, Ligg. alaria
- Kreuzband, Lig. cruciformis atlantis (2 Teile)
1.2.7 Beweglichkeit der HWS - Zusammenwirken der Kopfgelenke
Die Halswirbelsäule ist in der Regel der beweglichste Wirbelsäulenabschnitt. Diese gute Beweglichkeit des Kopfes ergibt sich aus der besonderen gelenkigen Verbindung des "Atlas" mit dem zweiten Halswirbel, dem "Axis". Die insgesamt 6 Gelenksabschnitte (2 am oberen, 4 im unteren Kopfgelenk) ermöglichen eine sehr feine Abstufung der Bewegungen des Kopfes. Durch Kombinationen der Nickbewegungen des oberen und der Drehbewegungen des unteren Kopfgelenks sind praktisch Bewegungen in allen Ebenen möglich.
Legende
Abb. 22-4:
Dreht sich der Kopf um seine senkrechte Achse nach rechts und links (je max. 85°), so ist es eigentlich der Atlas, der diese Bewegung ausfuhrt, indem er sich um den Zahn des Axis, wie ein Rad um eine excentrische Axe, dreht. Der Kopf, der vom Atlas getragen wird, macht die Drehbewegung des Atlas passiv mit.
Abb. 22-5:
Beim Beugen und Strecken in der vertikalen Ebene (max. 70°) drehen sich die Processus condylares des Hinterhaupts, in den oberen konkaven Gelenkflächen des Atlas um die Horizontalachse.
Abb. 22-6:
Beim Neigen des Kopfes gegen eine Schulter (max. 45°), wird die Halswirbelsäule als Ganzes gebogen. (Hinzu kommt ein sehr geringer Beitrag durch die Hinterhaupt-Atlasgelenke).
1.2.8 Innervation der Wirbelkörper
Die genaue Kenntnis der Innervation der Wirbelkörper ist für den klinischen Bereich – besonders für die Schmerztherapie - von größter Bedeutung.
Die Innervation der Wirbelkörper ist sowohl segmental als auch nicht-segmental. Sie erfolgt über sensible und viszerale (sympathische) Fasern:
- Sinuvertebralnerv (Ramus meningeus,[2]),
- Ramus communicans des Grenzstrangs. Die schmerzleitenden Fasern verlaufen teilweise gemeinsam mit den versorgenden Gefäßen („Knochenblutleiternerven“).
1.2.9 Muskulatur
(siehe Kapitel 12: Tiefe Regionen des Halses)
Die Extension erfolgt vorwiegend durch die paravertebralen Muskeln (M. splenius capitis, Mm. spinales).
Die Flexion erfolgt hauptsächlich durch den M. sterno-cleido-mastoideus und an zweiter Stelle durch die Mm. scaleni.
Die Rotation erfolgt durch den M. sterno-cleido-mastoideus Mm. spinales.
1.3 Kranio-zervikaler Übergang
Legende
A. Beziehung der HWS zum Viszero- und Neurokranium.
B. Die röntgenologische Beurteilung der Wirbelsäule beinhaltet eine Kontur- und Strukturdiagnostik.
Zusätzlich werden die Stellung und Relation der artikulierenden Wirbelkörper zueinander beurteilt. Eingetragen sind auch Alignement- Linien (Fluchtlinien):
blau: vordere und hintere Wirbelkörperlinie (a,b), Spinolaminarlinie (c), hintere Processus-spinosus-Linie (d).
1: Nasion,
2: Inion;
A: Ruhepunkt;
F1, F2, F: Muskel-Kraftvektoren (Wirkungslinien und resultierende Kraft);
G: Schwerpunktslinie;
H: Horizontale;
O: Schwerpunkt des Kopfes; Pfeilschar: Ebene der Facettenoberfläche (modifiziert nach P. Kamina, 2004).
1.4 Angewandte Anatomie
1.4.1 Subokzipitalpunktion
1.4.2 Traumen
Auf die Wirbelsäule können axiale Kräfte mit konsekutiven Kompressions- oder Berstungsfrakturen einwirken. Auch Flexions- oder Extensionsverletzungen mit oder ohne Rotationskomponente sind häufig.
a) Dislokationen
b) Frakturen
- Fraktur des Clivus
- Atlanto-occipital Fraktur
- Fraktur des Condylus occipitalis
- Fraktur des Atlas
- Odontoid Fraktur (types I, II, IIa, and III)
- Hangman’s Fraktur
- Fraktur des C2 Wirbels (Axisfraktur)
1.4.3 Untersuchung der HWS
Palpation:
Durch Palpation lassen sich entscheidende muskuläre und bindegewebige Einschränkungen nachweisen. "Wir ertasten Verletzungen und Gewebeveränderungen, die die Kernspintomographie nicht zeigt. Nichts ist sensibler als die Fingerkuppen." Dr. Müller-Wohlfahrt. In: Südkurier (Nr. 214), Wochenendbeilage zum 14./15. September 1996, "Medizin und Gesundheit", S. 5. (zitiert nach: http://www.imf.ch/publikationen/).
Konventionelle Röntgendiagnostik:
Basis der bildgebenden Diagnostik. Übersichtsaufnahmen der Wirbelsäule in (mindestens) 2 Ebenen.
Darstellung der Knochen- und Gelenkanatomie.
Beurteilungskriterien: Kontur, Struktur, Stellung.
Computertomographie:
genaue Darstellung der knöchernen Verletzungen
sagittale Rekonstruktionen
MRT
Beurteilung des Rückenmarkes und der begleitenden osteoligamentären Verletzungen
neurologische Untersuchungen (bei degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule und Traumen [3])
Blutuntersuchung (bei Hinweisen auf Erkrankungen des rheumatoiden Formenkreises)
Knochenszintigrafie (bei Osteoporose oder Verdacht auf Tumoren).
Film: Vertebral Column, Spinal Cord/Coverings University of Michigan
Dies ist eine recht statische, didaktisch gewählte Beschreibung, die den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird).